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Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
Autoren: Liz Balfour
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Cork waren ebenfalls verstummt. Die Bekannten aus meinem Sportclub schickten wenigstens noch zu Weihnachten eine Karte. Mir wurde klar: Die Menschen wollen nichts wissen von Krankheit oder Tod. Sie machen einen Bogen um diejenigen, die es getroffen hat. Und ich brachte die Kraft nicht auf, von mir aus auf jemanden zuzugehen und mich zu verabreden. Ich steckte in diesem Teufelskreis fest, und hätte ich Sophie und ihre Eltern nicht gehabt, ich wäre einsam und verlassen zugrunde gegangen. Später wurde mir klar, dass meine Beziehung zu Brian so eng gewesen war, dass kaum noch Platz für echte Freundschaften gewesen war. Wir hatten einen großen Bekanntenkreis, aber Freunde hatten sich für mich keine darunter gefunden.
    Und doch sollte Sophie recht behalten. Zwar nicht mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings, aber immerhin schaffte ich es Anfang Juni zum ersten Mal seit einem halben Jahr, den Tag mit einem Lächeln zu begrüßen. Ich hatte mir den Radiowecker gestellt, weil ich nach Cork fahren und einige Einkäufe für das Pub erledigen wollte. Der Song, der mich weckte, war »There She Goes« von The La’s. In meiner Teenagerzeit war dieses Lied eine meiner Hymnen gewesen, und mein Herz hüpfte, als ich die Melodie erkannte. Sie spielten nicht das Original, sondern eine neue Coverversion. Den ganzen Tag bekam ich den Song nicht mehr aus dem Kopf, und er stimmte mich fröhlich. Ich wurde zurückversetzt in die Zeit der ersten Partys, der ersten durchwachten Nächte, der Lagerfeuer am Strand und der elektrisierenden ersten Küsse. Es war eine Zeit, in der ich mich fühlte, als sei alles im Leben möglich, als stünde mir die Welt offen, als sei ich unverwundbar.
    Das Eis auf meiner Seele begann zu tauen.
    Am nächsten Morgen öffnete ich das Fenster, sah hinaus auf die grünen Hügel und die Bucht, die sich zur Keltischen See hin öffnete, und fasste einen Entschluss: Ich würde Frieden schließen mit dem Schicksal und Brians Tod akzeptieren. Es war genug Zeit vergangen, und auch wenn der Schmerz noch tief saß, er hatte seine schneidende Kälte verloren. Da draußen in den Wellen war Brians Grab. Dort würde er für immer sein. Und ich konnte ihn besuchen, wann immer ich wollte, ich war in seiner Nähe, sobald ich am Meer war. Endlich wusste ich, dass ich mit meinem Leben weitermachen konnte.

3.
    »Du siehst gut aus«, sagte Sam.
    »Danke, mir geht es auch gut. Besser.« Ich hielt ihm die Tür zur Küche auf, wo er die Gemüsekisten abstellte. Sam wischte sich die Hände an der Jeans ab und sah mic h aufmerksam an. »Irgendwas ist anders. Gut anders.«
    »Was hast du uns heute mitgebracht?« Ich inspizierte die Kisten. Sam brachte uns alle paar Tage frisches Gemüse und Kräuter für das Pub. Milch, Eier und Fleisch bezogen wir ebenfalls von einem lokalen Bauern. Die Speisekarte von Ralph richtete sich nach dem, was verfügbar war, und nach anfänglichem Gebrummel unter den Gästen hatte er sich schließlich mit seiner Strategie durchgesetzt und verfolgte sie nun seit fast zehn Jahren. Er und Mary waren besonders stolz darauf, schon so »grün« gedacht und gehandelt zu haben, bevor Kinsale offiziell zu einer Transition Town wurde: einer Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiative, deren teilnehmende Städte und Gemeinden ein Leben weg von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und hin zu einer regionalen Wirtschaftsstruktur förderten.
    Sam kannte ich noch von der Schule. Mit vierzehn hatten wir eine Weile schüchtern Händchen gehalten und uns heimlich geküsst. Als die Schulzeit vorbei war, hatten wir uns für fast zwanzig Jahre aus den Augen verloren, und im vergangenen Dezember, nach meinem Einzug bei Ralph und Mary, wiedergesehen. Seitdem begegneten wir uns häufig im Pub, weil er uns belieferte. Er war mir gegenüber zu Beginn schweigsam und zurückhaltend gewesen, und erst langsam hatte er angefangen, etwas von sich zu erzählen. So erfuhr ich, dass er zum Studium nach Dublin gegangen war, weil er »rauswollte«.
    »Was ganz anderes machen und die Welt sehen«, hatte er vor einigen Wochen mit einem unsicheren Lachen gesagt. »Aber auf keinen Fall nach England gehen. Oder in d ie USA. Und Australien war viel zu weit weg. Ganz sch ön feige, was? Nach vier Jahren Dublin hab ich dann eingesehen, dass ich die große weite Welt nicht brauche.«
    »Du warst am Trinity College?«
    »Dazu hat’s nicht gereicht. University College. Eingeschrieben für Wirtschaft. Gerade so einen Abschluss hinbekommen. Keine
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