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Elfmeter fuer die Liebe

Elfmeter fuer die Liebe

Titel: Elfmeter fuer die Liebe
Autoren: Lex Beiki
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meinen Mund. „Ich weiß, du hast gesagt, du brauchst noch Zeit. Aber ehrlich gesagt sendest du in der letzten Zeit ganz schön verkorkste Signale."
    Griechische. Tragödie.
    Ich hatte nichts, aber auch garnichts dazu zu sagen; dieses emotionale Minenfeld wollte ich auch um keinen Preis betreten. Auf der anderen Seite konnte ich Cem auch nicht so stehen lassen – mit vor Aufregung geröteten Wangen und seinen runden, loyalen Augen, die verschüttet geglaubte Mutterinstinkte wachflehten.
    Glücklicherweise klingelte in just diesem Augenblick das Handy, das ich ununterbrochen bei mir trug. Endlich!
    „Ich muss da ran – wir sprechen später“, entschuldigte ich mich bei Cem. Er nickte erleichtert.
     
    Tobias Weizenfeld campierte mit den anderen zugereisten Fans am Fluss hinter der Pension. Der Trupp, wild verkleidet und an jedem Tag penibel patriotisch bemalt, hatte sich häuslich eingerichtet – sechs kleine Zelte waren mittlerweile aufgeschlagen und zwei größere. Eine Wäscheleine, eine Feuerstelle und ein Sortiment Feldstecher. Man sonnte sich, lugte immer mal wieder zum Hotel herüber, erzählte sich Anekdoten aus dem Fandasein und ging private Wetten über Tordifferenzen und die besten Spieler ein.
    Tobias wurde die Wahl, sich doch lieber ein Hotel in der Stadt zu nehmen, garnicht erst angeboten. Titus, Beifahrer und Sprecher der Gruppe um André, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die verwahrlost wirkende Dame zu integrieren. So jedenfalls legte ich das Ganze aus, während ich Tobias am Telefon ungeduldig zuhörte.
    „Das ist ja schön und gut“, resümierte ich irgendwann. „Nun hör auf zu maulen und sag mir, wie schnell du in der Stadt sein kannst.“
    „Wie, in der Stadt?“, kam die Antwort.
    Mein Plan war, sich irgendwo in Paris zu treffen, am Besten im Trubel einer Menschenmenge ; ich hoff t e, dass das ausreichte, um mein Leben zurück zu bekommen.
    Tobias lachte dreist: „Es ist EM! Jeder Fußballer, der sich irgendwo blicken lässt, also der wird sofort von der Presse und den Fans belagert. Vergiss es. Du kannst nicht raus.“
    Nicht raus? Ich konnte nicht raus? Monatelang hatte ich nicht rausgehen wollen und nun durfte ich es nicht? Welch höhnische, tragische Ironie! Dass das Leben es einem aber auch immer so heimtückisch heimzahlen musste!
    Ich hörte Leander rufen; es war Zeit für die Teambesprechung im Konferenzzimmer. Dort sollte ich alles erfahren, was ich nie über die Taktik der französischen Nationalmannschaft wissen wollte.
     
    Wir trafen uns um Mitternacht am Fluss, wie Revolutionäre in der Nacht vor dem Putsch. Die Sterne glommen bleich, der Mond war ein pfenniggroßer Kreis in unerreichbarer Ferne. Es war stockdunkel.
    Ich kämpfte mich, innerlich vor mich hin fluchend, durch knöchelhohes Gras, das mir unerbittlich durch die Socken in die Haut piekste. Schuhe trug ich nicht; ich wollte kein Geräusch von mir geben. Trotz der Tintenschwärze konnte ich Tobias’ Gestalt (vielmehr meine eigene) in all ihrer Lächerlichkeit schon von Weitem erkennen – es trieb sich andererseits auch sonst niemand auf dem nächtlichen Feld herum: Meine schönen Locken standen wirr zu Berge, als hätte jemand sie unprofessionell toupiert und dann mit Zuckerwasser besprenkelt. Meine Lieblingsjeans war voller Flecken; sogar einen Riss hatte sie abbekommen. Darüber trug er ein viel zu großes Deutschlandtrikot, das freimütig alle weiblichen Rundungen verbarg; woher er das allerdings hatte, wusste ich nicht – aus meinem Kleiderschrank stammte es nicht.
    Und so standen wir uns das erste Mal gegenüber. Er in meinem Körper, ich in seinem. Beide brauchten wir einige Sekunden, um dieses Bild, das uns die Wirklichkeit unserer Situation so restlos vor Augen führte, zu verarbeiten.
    Ich schloss die Augen und wartete.
    Nach einer Weile räusperte er sich. Ich öffnete die Augen immer noch nicht.
    „Was machst du da?“, fragte er schließlich.
    „Ich warte, dass alles wieder normal wird.“
    Nichts passierte.
    Vielleicht mussten wir uns umarmen.
    Nichts passierte.
    Frustriert ließ ich mich ins Gras am Ufer sinken. Ich war ganz froh, dass es nicht hell genug war, unsere Spiegelungen im stillen Wasser zu sehen. Das hätte mir vielleicht den Rest gegeben. Wir schwiegen uns an – ich, weil meine Gedanken mir keine Ruhe gönnten, einen klaren Satz zu formulieren; er, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.
    Es war trotzdem Tobias, der die Stille unterbrach: „Was machen wir denn
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