Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Elbenschswert

Titel: Elbenschswert
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
war.
Er stand einer wahren Übermacht gegenüber und jeder
einzelne dieser Männer war stärker als er, denn ohne die
magische Rüstung und das Runenschwert war er wieder
ein Junge von zwölf oder dreizehn Jahren, der es niemals
an Körperkraft mit einem dieser Barbaren aufnehmen
konnte.
Wahrscheinlich würden sie ihm einfach die Rüstung
vom Leibe reißen, falls sie sich überhaupt die Mühe machten und nicht einfach so lange auf ihn einschlugen, bis er
tot war.
Und genau das schienen sie vorzuhaben. Immer mehr
Schläge und Tritte prasselten auf ihn herab und es vergingen nur noch Sekunden, bis er einfach wimmernd daliegen
und sich wünschen würde, endlich das Bewusstsein zu
verlieren.
Aber es dauerte lange, bis ihm dieser Wunsch erfüllt
wurde.
    Als er erwachte, strich etwas Warmes und Raues über sein
Gesicht. Sein linkes Bein tat entsetzlich weh und er hatte
Durst wie niemals zuvor in seinem Leben.
    Und vor allem: Er war noch am Leben! Verwirrt, aber
auch erleichtert öffnete Lancelot die Augen und blinzelte,
als grelles Sonnenlicht ihn blendete. Wieder strich etwas
Warmes und fast unangenehm Raues über seine Wange.
Lancelot drehte den Kopf zur Seite und blickte diesmal in
ein strahlend weißes Pferdegesicht, das sonderbarerweise
von einem mehr als handlangen, spitzen und gedrehten
Horn gekrönt wurde, das mitten aus seiner Stirn wuchs.
    Lancelot blinzelte erneut, stemmte sich mit einer Hand
in die Höhe und benutzte die andere, um die Nüstern des
Einhorns beiseite zu schieben, das über ihm stand und ihm
mit seiner langen Zunge das Gesicht ableckte wie ein
Hund, der versuchte seinem verletzten Herrn zu helfen.
Wieso lebte es noch?
    Er fand keine Antwort auf diese Frage und seine Verwunderung wuchs noch, als er sich umsah.
Er war allein. Nur ein paar Schritte entfernt graste ein
reiterloses Pferd, auf dessen Rücken noch eine Decke lag;
Sattelzeug und Zügel waren verschwunden. Auf der anderen Seite der Lichtung steckte ein abgebrochener Speer
schräg im Boden und unmittelbar neben ihm lag ein zerbrochenes Schwert – er war also nicht einfach vom Pferd
gestürzt und hatte sich den Hinterhalt und den schrecklichen Kampf nur eingebildet, wie er im ersten Moment
beinahe glaubte. Als er genau hinsah, erkannte er, dass das
Pferd eine üble Schnittwunde am Bein hatte und wohl
deshalb von seinem Besitzer zurückgelassen worden war,
und nicht weit von dem weidenden Tier entfernt war ein
frischer Blutfleck im Gras. Die Pikten waren hier gewesen, der Hinterhalt also kein Traum. Aber wieso lebte er
dann noch?
Lancelot setzte sich ganz auf, sah an sich herab und
machte eine weitere überraschende Feststellung: Er trug
weder Helm noch Handschuhe oder seinen Waffengurt.
Die lagen ein kleines Stück neben ihm, und wer immer
ihm diese Dinge abgenommen hatte, hatte sich sogar die
Mühe gemacht, sie säuberlich nebeneinander zu legen,
nicht einfach ins Gras zu werfen.
Verwirrt und ein wenig misstrauisch ließ Lancelot den
Blick über jeden Zentimeter seiner Umgebung wandern.
Er war fast sicher, dass es sich nur um eine weitere Falle
handeln konnte; eine neuerliche Grausamkeit der Pikten,
die ihn in trügerischer Hoffnung wiegen wollten, um ihn
auf diese Weise noch mehr zu quälen. Aber es war niemand da. Sosehr er auch lauschte, so angestrengt er auch
die Schatten musterte, nach einer verräterischen Bewegung, einem Laut suchte, der nicht hierher gehörte, da war
nichts. Er war allein. Die Pikten hatten ihn niedergeschlagen, ihm Helm, Handschuhe und Schwert abgenommen –
und ihn dann einfach liegen gelassen. Aber das ergab
überhaupt keinen Sinn! Lancelot drehte sich zu dem Einhorn herum. Das Tier hatte mittlerweile an dem kniehohen
Gras zu zupfen begonnen und fraß sichtlich mit großem
Appetit. So als wäre nichts geschehen. Von der tiefen
Wunde, die es davongetragen hatte, war nichts mehr zu
sehen, aber das erstaunte Lancelot nicht sehr. Nicht bei
diesem Geschöpf. »Schade, dass du nicht reden kannst«,
murmelte er. »Ich hätte die eine oder andere Frage an
dich.«
Das Einhorn hob den Kopf, als hätte es seine Worte verstanden, sah ihn aber nur einen Moment lang aus seinen
sonderbaren, dunklen Augen an und rupfte dann genüsslich weiter Gras. Lancelot schüttelte den Kopf, lächelte
über seine eigenen Worte und ging zu der Stelle, an der
sein Helm, die Handschuhe und das Schwert lagen. Er
würde das Rätsel nicht lösen, wenn er hier herumstand und
mit einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher