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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten
Autoren: Alfred Bekker
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dass die Augen seines Königs im ersten Moment vollkommen schwarz waren. Doch nach dem ersten Lidschlag war diese Schwärze verschwunden und das Weiße in den Augen des Königs zurückgekehrt. Ein Ruck ging durch dessen Körper, und er löste sich aus der Erstarrung.
    Eine Furche erschien auf seiner Stirn. Er blickte Branagorn verwirrt an.
    Der Augenlose nahm auch den magischen Bann von dem jungen Elbenkrieger. Von einem Herzschlag zum anderen war die geisterhafte Kraft von ihm genommen, die ihn bis dahin gehalten hatte. Branagorn murmelte den Abwehrzauber, dessen Formel er bereits die ganze Zeit über dem Augenlosen hatte entgegenschleudern wollen.
    Dieser lachte nur. »Versucht nicht, Euch in magischen Dingen mit mir zu messen, junger Krieger!«
    »Was habt Ihr getan, Augenloser?«
    »Nichts, was Euch beunruhigen müsste, mein übereifriger Vasall eines Königs, der vor den entscheidenden Fragen seines Äons zu kapitulieren droht!« Wieder verzog sich der Mund zu einem Ausdruck blanken Hohns.
    »Ist mit Euch alles in Ordnung, mein König?«, fragte er.
    Keandir nickte lediglich. Er machte noch immer einen leicht verwirrten Eindruck und sah sich suchend um.
    Der Augenlose wandte sich wieder Keandir zu. »Macht Euch keine Sorgen, o König der dem Vergessen anheim Fallenden. Zumindest nicht über Euch selbst, denn ich bin nicht Euer Feind, sofern Ihr nicht zu meinen werdet.«
    »Was habt Ihr mit mir gemacht?«, fragte Keandir. Mit den Fingern berührte er die Schläfen, so als hätte er Schmerzen. Sein Gesicht hatte den Zug von Gelassenheit und Verklärung verloren, der ansonsten so typisch war für den König der Elben.
    »Ich habe Eure Seele geprüft, das ist alles.«
    »Meine Seele geprüft?«, wiederholte Keandir ungläubig.
    »Ihr wolltet doch mehr über die Gabelungen des Schicksals wissen. Mehr über das Muster, das Schicksal und Zeit bilden und das für den Kundigen so klar zu erkennen ist, dass es für ihn ein ewiges Rätsel ist, warum Geschöpfe von geringeren Geistesgaben darin ein unentwirrbares, chaotisches Knäuel sehen!« Der Augenlose machte eine Pause.
    Keandir schloss kurz die Augen und stützte sich gegen eine Felswand. Ihm war schwindelig. Ein Strudel von Bildern und Gedanken schwirrte durch seinen Kopf. Und Stimmen. Szenenfolgen aus seinem Leben reihten sich aneinander. Die ersten Erinnerungen seines Elbenlebens. Wahrscheinlich hatte die Magie des Augenlosen sie an die Oberfläche seiner Seele gespült. Er lag auf den Planken eines Schiffs und erwachte aus einem längeren Schlaf. Über sich sah er den wolkenlosen blauen Himmel, so groß und strahlend wie ein Sinnbild der Unendlichkeit. In diesem ersten Augenblick seiner Erinnerung war ihm alles so leicht und klar erschienen. Es schien keine Grenzen zu geben und alles möglich zu sein. Er hörte die Stimmen der Erwachsenen, die von den Gestaden der Erfüllten Hoffnung sprachen, und von der langen Reise, die schon hinter ihnen lag. Doch all das, was sie sagten, war noch von verhaltenem Optimismus geprägt.
    Was war in der Zwischenzeit mit seinem Volk geschehen? So viele ungezählte Jahre waren mit der Suche nach Bathranor, den Gestaden der Erfüllten Hoffnung vergangen. Selbst für das Zeitempfinden eines Elben dauerte sie bereits länger, als es für manche erträglich war. In den alten Zeiten, so hatte man Keandir erzählt, war der Lebensüberdruss unter den Elben bei weitem nicht so verbreitet gewesen wie in diesen Tagen.
    »Ihr seid hier auf einer dem Festland vorgelagerten Insel«, erklärte der Seher, »aber hier werdet Ihr nicht bleiben können. Ein so feinfühliges Geschlecht wie das Eure würde sich gegen die morbide Macht der uralten Schatten, die diese Insel beherrschen, auf die Dauer nicht behaupten können. Glaubt es mir.«
    Überraschung prägte Keandirs scharf geschnittenes Gesicht. »Woher wisst Ihr …?«
    »Eure Seele ist für mich ein offenes Buch, König Keandir. Gerade sah ich Dinge, die selbst Ihr nicht über Euch wissen wollt …« Ein erneutes Kichern drang aus der stinkenden Mundhöhle des Augenlosen. »Aber keine Sorge, ich werde Euch nicht gegen Euren Willen über die Finsternis aufklären, die Euer strahlender Elbenkörper verbirgt. Nur so viel lasst Euch gesagt sein: Wirklich gefährlich sind niemals die Schattenkreaturen der Äußeren Welt, sondern die Dunkelheit in Euch selbst, deren Existenz Euresgleichen so hartnäckig leugnet.«
    »Man nennt uns Elben auch die Geschöpfe des Lichts«, antwortete Keandir.
    »Licht,
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