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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck
Autoren: H Girod
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erforderlich.
    Die Tage vergehen. Nach einer Woche sollte Erika bestattet werden. Da wurde er überraschend zur Kriminalpolizei gebeten. Er wurde nochmals als Zeuge in der Todesermittlungssache seiner Frau vernommen. Minutiös muß er über den Ablauf des Tages, an dem Erika starb, Rechenschaft ablegen. Die vielen spitzfindigen Fragen verwirrten ihn: Welche Straße passierten Sie um welche Zeit? Was für Bekleidung trugen Sie? Welche Gegenstände führten Sie bei sich? Warum sind Sie nach der Arbeit nicht gleich nach Hause gegangen? Wie lange haben Sie sich in der „Gulaschhütte“ aufgehalten? Wer kann das bezeugen …? So gut es eben ging, beantwortete er alles, ohne freilich zu offenbaren, daß er bereits daheim war, als Erika noch lebte. Schließlich mußte er das Protokoll unterschreiben. Ehe der Polizist ihn entließ, verpaßte er ihm mit einer hinterhältigen Frage einen seelischen Tiefschlag: „Sie behaupten, nach der Arbeit in der Dirschauer Straße Bier gekauft und dann zur ›Gulaschhütte‹ gegangen zu sein. Die Hausbewohner, die Sie vor Ihrer Wohnungstür empfingen, können sich zwar an Ihre alte Aktentasche erinnern, nicht aber an einen Beutel mit Bierflaschen. Wie also kam dieser Beutel in Ihre Wohnung?“
    Zwei Tage später wird Rudolf Wildenhain verhaftet. Die fleißigen Ermittler haben sich inzwischen um eine Erklärung dieses Widerspruchs bemüht. Die Aussagen der Besitzerin des Krämerladens in der Dirschauer Straße und der jungen Frau aus dem Haus, der Wildenhain beim Hinuntertragen des Kinderwagens behilflich war, aber auch die gerichtsmedizinische Todeszeitbestimmung belasten Wildenhain schwer. Danach muß er also in der fraglichen Zeit zu Hause gewesen sein.
    Konfrontiert mit diesen Fakten, bricht Wildenhain zusammen und bekennt sich zu dem wahren Ablauf des Geschehens. Das Gericht entscheidet: vorsätzliche Tötung durch Unterlassen. Als er nämlich Erika bewußtlos vor dem Gasherd vorfand, hatte er die Pflicht, die absehbaren tödlichen Folgen von ihr abzuwenden. Statt dessen faßte er den Entschluß, sie durch Untätigbleiben zu töten. Das war vollendeter Mord.
    Fall 5:
    Es ist Dienstag, der 16. Mai 1972, kurz vor 21.00 Uhr. In der Abteilung Raffination des VEB Kombinats „Otto Grotewohl“, einem erdölverarbeitenden Großbetrieb in Böhlen, südlich von Leipzig, ist in wenigen Minuten Schichtwechsel. Gewöhnlich erfolgt um diese Zeit zwischen den Schichtmeistern der Tag- und Nachtschicht die Übergabe der Kontrollbücher. Diesmal gibt es eine unerklärliche Verzögerung.
    Der Schichtmeister der Tagesschicht, der 31jährige Klaus Lambrecht, ist nicht zur Übergabe erschienen. Noch vor einer Stunde hatten ihn Wartungsarbeiter der Entsalzungsanlage im Werkgelände gesehen. Niemand kann verstehen, warum er den wichtigen Termin der Übergabe versäumt. Immerhin ist Feierabend nach einer langen, anstrengenden Schicht. Es gibt also keinen Grund, sich länger als notwendig im Betrieb aufzuhalten. Die meisten Kollegen kümmern sich nicht um ihren Schichtmeister und gehen. Doch einige sorgen sich um ihn. Sie streifen durch die benachbarten Betriebsteile, denn am späten Nachmittag hatte ein Stromausfall für kurzfristige Aufregung gesorgt, und es kam in verschiedenen Abteilungen zu leichten Störungen. So nehmen sie zunächst an, daß Klaus Lambrecht irgendwo aufgehalten wurde. Aber die Suche wird bald abgebrochen, das Werkgelände ist zu unübersichtlich. Außerdem wird der Verdacht laut, Lambrecht habe nach dem Stromausfall das Werkgelände verlassen, um rechtzeitig zur Schichtübergabe wieder zurückzusein. Im übrigen sei er den ganzen Tag über ziemlich niedergeschlagen gewesen. Er habe in der Werkkantine sogar auf den Sauerbraten mit Rotkohl verzichtet, obwohl dieser zu seinen Leibgerichten zähle. Einige Kollegen mutmaßen, er sei deshalb zwischendurch nach Hause gegangen, weil auf ihm eine Menge familiärer Probleme lasten. Doch Näheres können sie nicht sagen.
    Eine halbe Stunde später als gewöhnlich übergibt ein Stellvertreter Lambrechts schließlich die Tagschicht. Auf dem Wege zu den Umkleideräumen kommt ihm der Gedanke, in Lambrechts Garderobenschrank nachzusehen, ob dieser seine private Kleidung gegen die werkeigene Arbeitskombination ausgetauscht hat. Wenn ja, könnte dies ein wichtiges Indiz dafür sein, daß er das Werkgelände vorzeitig verlassen hat. Im Beisein anderer Kollegen knackt er das Vorhängeschloß am Garderobenschrank. Doch man findet nur Lambrechts private
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