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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck
Autoren: H Girod
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Hemmungslos kritisierte sie ihn vor anderen, hetzte seine Mutter gegen ihn auf. Auch Erikas Freundin hockte viel zu oft bei ihnen zu Hause herum, okkupierte seinen Lieblingssessel, stahl ihm die Zeit nach Feierabend. Aber das Schlimmste war Erikas Eifersucht. Kam er mal später nach Hause, weil die Arbeitskumpel ihn zu einem Bierchen überredeten, überschüttete sie ihn mit moralischen Vorwürfen, reagierte hysterisch und kündigte an, sich das Leben zu nehmen. „Mach doch“, hatte er zu ihr gesagt. Aber er war gewiß, daß sie es nicht wahr machen könnte.
    Die knappen fünf Jahre Ehe empfand er als verschenktes Leben. Wenn ein Kumpel ihn nach seinem ehelichen Wohlbefinden fragte, antwortete er zynisch: „Fünfundzwanzig Jahre waren meine Frau und ich glücklich. – Dann lernten wir uns kennen!“
    Eines Tages erwärmte sich sein Herz für eine andere Frau. Sie war geschieden, hatte zwei kleine Kinder, arbeitete im gleichen Betrieb wie er, dem RAW „Franz Stenzer“ in der Revaler Straße, in dem er mithalf, heruntergekommene Kühlwagen der Reichsbahn zu überholen. Erika muß von der Beziehung ihres Mannes zu einer anderen Frau Wind bekommen haben und unternahm aus Verzweiflung einen Selbstmordversuch.
    Er kam gerade von der Mittelschicht nach Hause, da lag sie bewegungslos vor dem Küchenherd. Aus den Brennern strömte unaufhaltsam Gas. Doch sie spielte die Ohnmacht nur, hatte den Zeitpunkt so gewählt, daß keine ernsthafte Gefahr für ihr Leben bestand, weil sie wußte, wann er von der Schicht kam. Erst als sie seine Schritte im Treppenhaus vernahm, öffnete sie die Gasbrenner und legte sich vor dem Herd in Positur. Eine halbe Minute später war er bei ihr. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, als er sie fand. Neben ihr lag ein Abschiedsbrief, den er in der Aufregung zunächst übersah. Glücklicherweise brauchte er keine ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen: Erika atmete, ihr Herz pochte. Er schloß die Gashähne, riß die Fenster auf, bettete Erika auf die Liege im Wohnzimmer und überschüttete sie stundenlang mit liebevollen Zuwendungen. Freilich: Ziemlich benommen war sie schon, doch keineswegs in dem Zustand der Ohnmacht, den sie ihm virtuos vorgaukelte. Auf diese Weise genoß sie seine freundlichen Bemühungen. Auch nach dem herzzerreißenden Inhalt des Abschiedsbriefes regten sich in Rudolf Wildenhains Seele Schuldbewußtsein und Mitleid. Das alles trug dazu bei, für einige Zeit die Waffen am ehelichen Kriegsschauplatz schweigen zu lassen.
    Bald jedoch war wieder alles beim alten: Die Zerwürfnisse wurden wieder zum Hauptinhalt des Ehelebens. Dafür fand Rudolf Wildenhain bei seiner Arbeitskollegin emotionalen und erotischen Ausgleich. Eines Tages brachte ihn seine Mutter auf den Gedanken, der Selbstmordversuch Erikas könnte nur eine Finte gewesen sein. Ihr Argwohn gründete sich folgerichtig auf die Beobachtung, daß Erika ihren angekündigten Selbstmord zu einer Zeit vornahm, da sie sich der Heimkehr des Gatten sicher war.
    Monate später. Rudolf Wildenhain hatte Frühschicht. Das Ritual war immer das gleiche: Kurz vor halb sieben verließ er das Haus, die alte, abgewetzte Aktentasche mit den Stullen und der Thermoskanne unterm Arm und kurz nach 17.00 Uhr erschien er wieder daheim. Wie gewohnt, ließ er sich von Erika anschnarren, weil er seine Aktentasche mit der Thermoskanne nicht an dem Platz abstellte, den sie ihm zuwies.
    Langsam reifte in Rudolf Wildenhain der Entschluß, die Scheidung einzureichen. Das wollte er seiner Frau schonend beibringen und zusichern, bei der Teilung des Hausrats großzügig zu sein. Zwei Abende lang druckste er herum, fand nicht den Mut, sich ihr zu offenbaren, wartete auf eine günstigere Gelegenheit. Am dritten Abend ergriff Erika die Initiative. Sie wollte wissen, was mit ihm sei, warum er sich in letzter Zeit so merkwürdig verhielte. Jetzt setzte er sie von seinem Vorhaben in Kenntnis. Auf der Stelle verlor sie die Fassung: Ein Hagelschauer von Flüchen prasselte auf ihn nieder. Das frisch zubereitete Abendessen ließ sie kurzerhand im Mülleimer verschwinden. In Windeseile zog sie sein Laken von der ehelichen Matratze und warf es zusammen mit seiner Decke und dem Kopfkissen in hohem Bogen auf die Liege im Wohnzimmer. Zwischen den heftigen motorischen Entladungen wurde sie von Weinkrämpfen geschüttelt. Jedoch nach einer Stunde war sie erschöpft. Der Dampf aus dem Kessel schien entwichen zu sein. Den Rest des Abends verhielt sich Erika ruhig, sprach nur
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