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Eiszart

Eiszart

Titel: Eiszart
Autoren: Kerstin Dirks
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es ist unsere Sache, was wir mit ihm machen. Ein Freund meiner Familie hat ihn mir und meinen Brüdern verkauft. Er war die Attraktion auf seinen Reisen und hat ihm viel Geld eingebracht. Eine Züchtigung ab und an erinnert ihn daran, wer sein Herr und Meister ist. Für heute hat er seine Lektion gelernt, er wird kein zweites Mal eine Frau aus dem Publikum angreifen. Glaub mir, Doktor, wir wissen, wie wir mit ihm umzugehen haben.«
    Diese Ungeheuerlichkeit war nicht zu ertragen! Hier wurde ein menschliches Wesen auf das Widerwärtigste ausgebeutet! Er durfte nicht zulassen, dass sein Martyrium weiterging. Aber was konnte er tun? Sollte er den Fall den Behörden melden? Am Ende brachte man den armen Kerl in ein Irrenhaus, was bedeutete, dass er von einer Gefangenschaft in die nächste geriet. Dazu war es fraglich, ob sich jemand fand, der sich seiner annahm und ihm die nötige Erziehung zuteil werden ließ, um ihn an ein normales Leben zu gewöhnen. Nicht zuletzt witterte Beaumont jedoch auch eine Chance, die sich ihm hier eröffnete und nicht so schnell wiederkehren würde. In keiner der dokumentierten Fälle war es gelungen, ein Wildkind zu zivilisieren. Wenn aber er, Beaumont, das Unmögliche möglich machte, würde sein Name in die Geschichte eingehen. Natürlich wäre Beaumont nicht Beaumont, hätte er allein an seinen Nutzen und den Ruhm gedacht. Vielmehr sah er die Möglichkeit, durch seinen gesteigerten Bekanntheitsgrad endlich eine Schule für Kinder zu eröffnen, deren Eltern nicht genügend Geld hatten, sie in eine Schule zu schicken. Nachdenklich blickte er zum Wolfsmann, der den Blick gesenkt hielt. Mit viel Geduld und der rechten Erziehung sollte es wohl gelingen, ihn zu zivilisieren, überlegte Beaumont. Auch wenn der Wilde ein Alter erreicht hatte, das seine Lernfähigkeit gewiss einschränkte.
    »Geld ist es also, woran Sie interessiert sind?«
    Der Dicke hob eine Augenbraue. »Wir sind Geschäftsmänner, werter Herr.«
    »Was, um alles in der Welt, hast du vor, Gabriel?«, rief Giffard, als ahnte er, dass Beaumont etwas ausheckte, was ihn Kopf und Kragen kosten konnte.
    »Werde deutlicher, ich kann dir nicht ganz folgen«, forderte der dicke Gaukler.
    »Ich möchte Ihnen den Wolfsmann abkaufen.«
    »Was?«
    »Sie haben richtig gehört, meine Herren. Ich möchte ihn kaufen.«
    »Was ist nur in dich gefahren?« Giffard raufte sich die Haare.
    »Du bist ein Schelm, Doktor. Ein wahrer Spaßmacher«, sagte der Dickwanst und brach in schallendes Gelächter aus. Seine Brüder stimmten ein. Doch Beaumont hob die Hand.
    »Mitnichten. Ich möchte mit Ihnen ins Geschäft kommen. Aber hier ist nicht der rechte Ort, um alles zu besprechen. Seien Sie meine Gäste, bei einem Glas Wein im Gasthof Cerf Blanc.«
    »Wir würden ein Bier im Coq Doré, dem Goldenen Gockel, vorziehen, wenn du nichts dagegen einzuwenden hast.«
    »Ganz wie Sie wünschen. Ich richte mich nach Ihnen.«
    Wenig später fanden sie sich in einer dunklen Nische der Taverne wieder. Die fünf Männer beäugten sich noch immer misstrauisch. Der Rauch von Zigarren lag in der Luft. An der Bar saß ein leichtes Mädchen, das mit zwei Freiern flirtete. Viel mehr war um diese Uhrzeit nicht los im Coq Doré. Das Ambiente war nicht nach Beaumonts Geschmack, er zog den Gasthof Cerf Blanc vor, in dem eine weniger zwielichtige Atmosphäre herrschte. Doch hier, so glaubte er, konnte er ein gutes Geschäft mit den drei Gauklern machen, die nicht unterschiedlicher hätten aussehen können. Wahrscheinlich waren sie nicht miteinander verwandt, obgleich sie sich selbst als Brüder bezeichneten.
    »Ich glaube, wir haben uns noch nicht vorgestellt. Ich bin Gabriel Beaumont, und dies ist mein Freund Serge Giffard.«
    »Man nennt mich Ubaldo«, sagte der Dickwanst und deutete auf das Katzengesicht. »Das ist Jacques, aber wir nennen ihn Chik, er ist der Jüngste von uns und ein stolzer Franzose. Der lange Dürre mit den goldenen Haaren heißt Maryo.«
    »Sehr erfreut. Es verhandelt sich besser, wenn man weiß, wen man vor sich hat. Ich schätze, Sie drei kommen weit herum und haben viel von der Welt gesehen, nicht wahr?«
    »Einiges! Wir sind überall in Europa zu Hause. Am schönsten ist es in Italien, meiner Heimat! Die Frauen sind heißblütig, und die Küche ist die beste, die es gibt!«
    »Oh, das glaube ich Ihnen gern. Mein Cousin Giovanni sagt immer ...«
    »Giffard! Bitte unterbrich unseren neuen Freund Ubaldo nicht.«
    Giffard warf Beaumont einen grimmigen
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