Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eistod

Eistod

Titel: Eistod
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
Fahrbahn.
    »Dann halt Zimmerberg.« Eschenbach zog den Mantel aus und fand in der Innentasche die Schachtel Brissago, die ihm Kathrin geschenkt hatte. Sie war noch verschlossen; eingeschweißt in dünnes, durchsichtiges Zellophan. Er verwendete die Zähne. Als er es geschafft hatte, zog er fast andächtig einen der Stängel aus der Kartonbox. Feinster Virginia-Tabak!
    »Hier ist Rauchverbot!«, kam es unfreundlich von vorne. Die Frau hatte ihn im Rückspiegel beobachtet.
    »Ich rieche nur dran«, erwiderte Eschenbach. Er strahlte sie an wie ein Kind, das man auf frischer Tat ertappt hatte.
    Über eine halbe Stunde lang schlichen sie auf der verschneiten Seestrasse Richtung Horgen. Immer wieder schnupperte der Kommissar an den Zigarillos. Und hie und da, wenn die Augen der Frau im Spiegel einen prüfenden Blick nach hinten warfen, lächelte er ihnen freundlich zu.

40
    Der Kommissar hatte den Fall seinem Kollegen Franz Haldimann übergeben; wegen Befangenheit – und weil er nicht mehr konnte und nicht mehr wollte.
    Seit der Sitzung, in der Eschenbach den Letten-Fall nochmals neu ins Rollen gebracht hatte, war Haldimann wie ein Terrier auf die Sache losgegangen. Sie hatten sogar herausgefunden, weshalb Koczojewic falsch auf Burris Liste gestanden hatte und auch in Meiendörfers Letten-Bericht falsch geschrieben war. Es war die liederliche Handschrift des Arztes gewesen, die aus dem Allerweltsnamen Serbien und Montenegros einen Müller mit zwei X gemacht hatte. Vielleicht war es verletzter Stolz, der den eher verhaltenen Ermittlungsbeamten zu dieser Höchstleistung antrieb; möglicherweise auch die Chance, in einem politisch brisanten Prozess bei Kobler Punkte zu schinden. Eschenbach war es recht so. Politik war nicht sein Ding.
    Ein einziges Mal fuhr er noch in die Rotwandstrasse ins Untersuchungsgefängnis. Er wollte wissen, was Christoph damals in Horgen dazu bewogen hatte, Kathrin auf Tetrodotoxin untersuchen zu lassen.
    »Es waren die Symptome«, sagte Burri und beteuerte, dass Kathrin nie Teil des Versuches gewesen sei. Es war kaum eine Regung in seinem Gesicht zu erkennen. »Ich musste diese Möglichkeit prüfen … sichergehen, mehr nicht.«
    Eschenbach nickte. Wenigstens in diesem Punkt war Burri Arzt geblieben. Dafür hatte er in Kauf genommen, einen Verdachtsmoment zu schaffen. Als ihm der Kommissar deshalb die Hand reichen wollte, drehte er sich weg, ging zum Aufseher und ließ sich abführen.
    Ein versöhnliches Ende gab es nicht.

    Eschenbach saß mit Kathrin und seinen Freunden am hintersten Tisch im Schafskopf, einem der angesagtesten Restaurants im Seefeld.
    »Muss ich das jetzt wirklich lernen?«, fragte seine Tochter und rollte die Augen. Etwas hilflos sah sie auf die aufgefächerten Karten in ihrer Hand.
    »Wir machen’s zusammen … ein paar Runden, dann kannst du’s.« Und während er seiner Tochter die Karten neu ordnete, fügte er hinzu: »Jassen ist ein Stück Schweizer Geschichte.«
    »Dummes Zeug!«, warf Gregor Allenspach ein. »Der Jass kommt wie die meisten Kartenspiele aus dem Orient. Vermutlich haben’s die Sarazenen nach Europa gebracht.« Gregor war seit dreiundzwanzig Jahren Lehrer. Für Deutsch und Latein; und weil sein fünfzehn Jahre jüngerer Kollege an einem Burn-out litt, neuerdings auch für Geschichte. Sein angegrauter Vollbart war so zeitlos wie das Gotthardmassiv.
    »Sind wir jetzt deine Probanden für den Geschichtsunterricht?«, maulte Christian Pollack. Er hatte eine Marlboro im Mundwinkel und versuchte Eschenbach und Kathrin anzuzeigen, dass er mit Trümpfen nicht gerade gesegnet war.
    Eschenbach kannte die zwei aus der Zeit, als sie gemeinsam in Zürich das Gymnasium besucht hatten. Während Gregor nach dem Studium ans Gymnasium zurückkehrte und seine Brutstätte, wie er sie nannte, nie richtig verließ, trieb es Christian in alle Welt. Den Master of Laws holte er sich in Chicago und seine ausgekochte Kaltschnäuzigkeit war ein Überbleibsel aus vier Jahren New York, mit besten Referenzen.
    »Wo haben die Randständigen denn das Medikament bekommen?«, wollte der Anwalt wissen.
    »In Burris Praxis«, sagte Eschenbach und dachte daran, wie oft er selbst dort gesessen oder gelegen hatte. »Christoph hatte sie alle sorgsam ausgewählt. Einzelgänger ohne Heimat. So wie es scheint, hat ihm sein Freund Meiendörfer dabei geholfen. Geheimdienstler wissen, wie so etwas geht. Und weil er sie regelmäßig mit Geld oder Drogen versorgt hat, sind sie ihm auch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher