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Eistod

Eistod

Titel: Eistod
Autoren: Michael Theurillat
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nicht.«
    Der Dreiklang der Hausglocke ertönte.
    Die Leute von der Spurensicherung kamen und zwei Sanitäter mit einer Bahre. Jagmetti dirigierte sie zum Tatort.
    Es wurden Fotos gemacht.
    »Leider haben wir dieses Doppelspiel zu spät bemerkt«, fuhr Burri fort und wechselte mit Meiendörfer einen kurzen Blick. »Leider war das so.«
    »Deshalb die CIA-Affäre … der ganze Wirbel in der Presse«, Eschenbach musste husten. »Man wollte Winter unglaubwürdig machen … isolieren gewissermaßen.«
    »Wir wollten verhandeln.« Burri verzog den Mund zu einem müden Lächeln. Der Arzt erzählte weiter, dass sie sich mit Winter geeinigt hatten und die Affäre als Ente wieder platzen ließen. Die CIA-Geschichte war ein alter Hut. »Winter hat sich nicht an unsere Abmachung gehalten, das war’s.« Es klang, als fällte der Arzt ein Urteil. Einen Moment hielt Burri inne, überlegte, ob er weitersprechen sollte. »Jedenfalls, nachdem die Presse den Professor rehabilitiert hatte, da meldete er sich heute wieder … hat nochmals mit der Polizei gedroht.«
    »Und dann hast du ihn umgebracht.«
    »Es geschah im Streit … er ist gefallen.«
    Eschenbach überlegte einen Augenblick, dann wendete er sich ab. Er rief Jagmetti, bat ihn, Burri und Meiendörfer getrennt abführen zu lassen. »Einzelhaft«, sagte er noch, dann klopfte er Claudio auf die Schulter, nahm Mantel und Wollmütze und ging zur Tür.
    Achtundvierzig Stunden allein in einer Zelle, dann würde Meiendörfer die paar Details, die noch fehlten, auskotzen. Da war sich der Kommissar sicher. Bei Burri zweifelte er. Von all den Verbrechern, die er in seiner Laufbahn überführt hatte, waren ihm jene ein Rätsel geblieben, die sich ihrer Schuld nicht bewusst waren. Es schmerzte ihn, dass sein Freund auch dazugehörte.
    Als Eschenbach die Haustür hinter sich schloss und Anstalten machte, die paar Stufen hinunter in den Vorgarten zu gehen, stockte er. Einen Moment lang blieb er stehen. Es war ein eigenartiges Gefühl, endlich den Mann zu sehen, den er nur von einem Foto her kannte und der ihn in gewisser Weise durch den Fall begleitet hatte.
    Konrad Schwinn stand neben dem Brunnentrog. Sein Haar fiel ihm in dunklen Strähnen in die Stirn und die Hände steckten in den Taschen seines hellen Wintermantels.
    Der Kommissar ging auf ihn zu, streckte ihm die Hand entgegen und sagte: »Danke.« Mehr als dieses eine Wort fiel ihm nicht ein. Nicht jetzt.
    »Danke auch«, erwiderte Konrad Schwinn. Er hatte große, kalte Hände, und Augen, die in einem seltsamen, hellen Grün leuchteten. Einen Moment lang sahen sie sich an. »Kommen wir zu spät?«
    Der Kommissar nickte. Er gab Schwinn seine Visitenkarte und bat ihn, sich in den nächsten Tagen auf dem Präsidium zu melden. »Und rufen Sie vorher kurz an.« Nachdem er noch einen letzten Blick auf das Haus und den Vorgarten geworfen hatte, verließ er Burris Grundstück.
    Eschenbach marschierte die Quartierstrasse hoch Richtung Tramhaltestelle. Langsam fühlte er, wie sich eine Leere in ihm breitmachte, wie seine Schritte an Tempo verloren. Er spürte dieses leichte Nachgeben des Schnees unter den Fußsohlen. Das Gehen war mühsam und ihn störte, wie sehr ihm ein fester Tritt fehlte.
    Er versuchte sich an ein schönes Erlebnis mit Christoph zu erinnern. Ihm fiel nichts ein. Vielleicht später, dachte er. Sicher gab es ein Gen, das jetzt mit Botenstoffen um sich warf und ihm half, damit fertig zu werden. Vermutlich war dieses Gefühl der Leere eine Art Überlebenshilfe: ein Pausenzeichen in den Synapsen.
    Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild, das man früher beim Schweizer Fernsehen zu diesem Zweck gezeigt hatte. Farbige Rechtecke, Striche in unterschiedlicher Breite und ein Kreis. Was den Kreis anging, war er nicht sicher. Es hatte ausgesehen wie die Flagge eines Weit-Weg-Landes.
    Die Tram kam angehumpelt und der Kommissar stieg ein.
    Zwei Stationen lang dachte er darüber nach, ob man das Pausenzeichen beim Fernsehen wieder einführen sollte. Pausen waren wichtig, fand er.
    Eschenbach machte Pause.
    Kurz vor dem Bellevue kam ihm der Samstagmorgen vor Weihnachten in den Sinn. Wie er mit rotweinbeflecktem Hemd durch die Menschenmassen heimwärts gestrolcht war. Und wie Kathrin vor seiner Wohnungstür gewartet hatte.
    Er stieg um in ein Taxi.
    »Spital Horgen«, sagte er und schnäuzte sich.
    »Es heißt jetzt Spital Zimmerberg«, berichtigte ihn die Frau am Steuer. Sie zirkelte den Wagen vorsichtig auf die matschige
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