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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen
Autoren: Wolfgang Burger
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die glatten Haare, die ihren Kopf umrahmten, dagegen schwarz. Das etwas zu volle Gesicht war nichtssagend. Die schön geformten Füße nackt, Oberschenkel und Hüften füllig, aber nicht dick, der Blick der weit offenen, blaugrauen Augen wirkte eher verwundert als erschrocken. Als lausche sie einer fernen Musik, die nur sie allein hören konnte.
    Der Täter hatte nur ein einziges Mal zugestochen, in den Bauch, und nach der Menge des Blutes zu schließen, hatte er die Hauptschlagader getroffen. Ich sah Balke auffordernd an, der offenbar noch nicht ganz begriffen hatte, dass er hier den Chef spielen sollte. Endlich verstand er, sah Hilfe suchend um sich, öffnete den Mund.
    Â»Okay. Wer fasst bitte mal zusammen?«, fragte er heiser und räusperte sich.
    Die schmale, aschblonde Kollegin, die mir in der vergangenen Nacht schon aufgefallen war, hob die Hand. Sie hieß Evalina Krauss, war Oberkommissarin und hatte eines dieser neuen, superkleinen Notebooks vor sich stehen. Über ein langesKabel war es mit dem summenden Beamer verbunden, der seit einigen Monaten, die meiste Zeit unbenutzt, an der Decke hing. Sie drückte zwei Tasten, und auf der Leinwand erschien die erste Folie einer Power-Point-Präsentation, die sie anscheinend in der knappen Zeit zwischen ihrer Rückkehr vom Tatort und dem Beginn der Besprechung vorbereitet hatte. Balke kniff die Augen zu und riss sie wieder auf, als sähe er Gespenster.
    Â»Ihr kriegt das alles später noch ausgedruckt«, erklärte Kollegin Krauss gut gelaunt. »Keiner muss mitschreiben.« Sie hatte eine klare, helle Stimme, die sie noch jünger wirken ließ, als sie aussah.
    Anita Bovary war zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig Jahre alt, erfuhren wir in den folgenden Minuten. Wo sie früher gelebt hatte, war noch nicht bekannt. Und das war leider auch schon fast alles, was meine Truppen bisher über die Tote im knappen Seidennachthemdchen in Erfahrung gebracht hatten.
    Â»Wir haben in der Wohnung praktisch nichts Persönliches gefunden«, schloss Evalina Krauss ihren angenehm knappen und präzisen Bericht. »Keinen Ausweis, keine Briefe, keine Kontoauszüge, einfach nichts. Bloß den Mietvertrag. Das wirkt da alles irgendwie, als hätte sie … Ups!«
    Die Kollegin begann mit hochgezogenen Brauen und zunehmender Ungeduld auf ihrem Computerchen herumzutippen.
    Â»Das Mistding ist mir abgestürzt!«, seufzte sie schließlich und hämmerte noch einige Male hilflos auf die Return-Taste.
    Â»So viel zum Thema ›Keiner muss mitschreiben‹«, sagte Balke gerade so laut, dass sie es mit Sicherheit hörte.
    Â»Die Waffe?«, fragte ich.
    Â»Ein Messer«, erwiderte Evalina Krauss, ohne aufzusehen. »Auffallend schmale Klinge. Ein Stilett vielleicht, meint der Doktor.«
    Â»Haben wir das Ding inzwischen gefunden?«
    Sie sah auf, als würde die Frage sie überraschen. »Nein. Alle Mülltonnen und das Gelände ums Haus herum haben wir am Vormittag abgesucht. Aber da war nichts. Es hat aber die ganze Nacht und den halben Vormittag geschneit. Wenn wir Pech haben, müssen wir warten, bis es taut.«
    Balke öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
    Â»Was ist mit Hunden?«, fragte ich.
    Â»Haben wir probiert«, seufzte Runkel. »Aber die Viecher sind bloß in der Gegend rumgerannt wie die Hühner. Die riechen nichts in dem vielen Schnee.«
    Â»Was erzählen die Nachbarn über das Opfer?«
    Â»Herzlich wenig«, sagte ein Kollege, der letzte Nacht ebenfalls am Tatort gewesen war. »Der Hausmeister kennt sie noch am besten, weil sie mal eine Weile Theater mit der Heizung gehabt hat. Er ist ein paar Mal in der Wohnung gewesen, und einmal hat sie ihm zum Dank sogar einen Kaffee spendiert.«
    Balke kratzte sich ratlos an der Stirn. Kollegin Krass hackte immer noch auf ihrer Tastatur herum. Plötzlich war das Bild an der Wand wieder da.
    Â»Okay, die Nachbarn«, setzte sie ihren Vortrag fort. »Hier seht ihr eine Skizze der Wohnungen mit den dazugehörigen Namen. Interessant sind natürlich vor allem die, die Wand an Wand mit ihr liegen. Rechts von ihr wohnt ein schwerhöriger Rentner, Alkoholiker, der die meiste Zeit am Computer daddelt. Links haben wir ein junges Paar, er Student, sie, weiß man nicht so genau, die sich auch um nichts kümmern und die meiste Zeit poppen, so wie die aus der Wäsche geguckt haben.
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