Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
Rest des Satzes und sah mich erschrocken an.
    Â»Sie wollten sagen, er hat sie aufgespürt und umgebracht?«
    Es wäre nicht der erste Fall, bei dem ein verlassener Ehemann seine Frau lieber tot als in den Armen und im Bett eines anderen sieht.
    Â»Die Wohnung ist also möbliert«, nahm ich den Faden wieder auf. Inzwischen war der Kaffee auf Trinktemperatur abgekühlt. Meine Gastgeberin nickte und schenkte ungefragt nach.
    Â»Da drüben, nun ja … es handelt sich um eine – wie sagt man? – Hostessenwohnung? Eine Wohnung eben, wo gewisse Damen gegen Bezahlung gewisse Dienste anbieten. Ob so etwas hier überhaupt erlaubt ist, bezweifle ich. Aber solange die Herren sich anständig betrugen, wollte ich nicht so sein. Anfangs dachte ich natürlich, auch Frau Bovary …«
    Nach ihrer überkorrekten Grammatik zu schließen, war sie wohl doch eher Deutschlehrerin.
    Â»Hat sie denn häufig Männerbesuch gehabt?«
    Â»Das nun nicht.« Zögernd, als müsste sie erst noch einmal nachdenken, schüttelte sie den Kopf. »Aber ich habe auch nicht sonderlich darauf geachtet, was gegenüber vorging. Erstens schätze ich selbst die Anonymität dieses Hauses, und zweitens … war es mir ein wenig peinlich. Deshalb habe ich bewusst nicht darauf geachtet, wer drüben ein- und ausging. Aber mein Eindruck war, dass es deutlich ruhiger geworden ist, seit Frau Bovary hier wohnt.« Sie schluckte, schlug wieder die Augen nieder. »Gewohnt hat, mein Gott.«
    Â»Gibt es sonst jemanden im Haus, der etwas über sie weiß?«
    Â»Den Hausmeister habe ich hin und wieder drüben gesehen.Es gab wohl irgendein Problem mit der Heizung, habe ich im Vorübergehen aufgeschnappt. Und dann, gleich nebenan, Frau von Freithal eben. Da werden Sie aber leider kein Glück haben. Frau von Freithal reist viel. Sie hat einen wohlhabenden Mann beerbt und sich vorgenommen, vor ihrem Tod – sie ist schon über siebzig – noch die ganze Welt zu sehen und wenn irgend möglich nichts von ihrem Erbe übrig zu lassen für ihre undankbaren Kinder. Im Augenblick ist sie in Neuseeland. Wandern, wenn ich richtig verstanden habe. Mit dreiundsiebzig!«
    Alle Möbel, die mich umgaben, waren neu und von schlichter Modernität. Ein weicher Teppich am Boden war in warmen Farben gehalten, die Aquarelle an den Wänden schienen alle vom selben Künstler zu stammen. Auf einem Sideboard prangte ein üppiger Blumenstrauß, der jetzt, mitten im Winter, ein wenig deplatziert wirkte.
    Â»Die Bilder sind von mir«, sagte meine Gastgeberin und lächelte zum ersten Mal ein wenig. »Ein kleines Hobby.« Ihr Lächeln verschwand so schnell, wie es erschienen war. »Und die Möbel … Ich habe mich letztes Jahr neu eingerichtet, nachdem mein Mann gestorben war. Mein Mann war ein wenig … konservativ in solchen Dingen, und als er nicht mehr war, habe ich das Haus verkauft, bin hierhergezogen, weg von dieser geschwätzigen Nachbarschaftsmischpoke, und habe mein Leben neu begonnen, wenn Sie so wollen.«
    Der Kaffee tat seine Wirkung. Mein Blick war jetzt klar, es gelang mir wieder, einen Gedanken zu Ende zu denken. Meine Gastgeberin hob die silberne Kanne mit fragendem Blick. Ich nickte, sie schenkte zum zweiten Mal nach.
    Â»Und mit Frau von Freithal hatte Frau Bovary also Kontakt?«
    Â»Sie hat ihre Pflanzen versorgt, wenn sie auf Reisen war. Aus irgendeinem Grund haben die beiden miteinander gekonnt. Wie gesagt, Frau Bovary war sonst eher ein wenig verschlossen. Aber Frau von Freithal … es gibt ja diese beneidenswerten Menschen, die jeden sofort für sich einnehmen.«
    Â»Wissen Sie, wo und was Frau Bovary gearbeitet hat?«
    Â»Nichts. Jedenfalls hat sie nicht zu geregelten Zeiten die Wohnung verlassen. Vielleicht war sie freiberuflich tätig?«
    Â»Das heißt, sie hat mehr oder weniger die ganze Zeit allein in ihrer Wohnung gesessen?«
    Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich den Namen meiner Gesprächspartnerin nicht kannte. Ich reichte ihr ein Kärtchen, das sie mit einer förmlichen Geste entgegennahm und aufmerksam studierte.
    Â»Herr Gerlach?« Jetzt lächelte sie wieder und reichte mir ihre schmale, kühle Rechte über den Tisch.
    Â»Ute Hasenkamp. Bis zu meiner Pensionierung Lehrerin für Deutsch und Geschichte.«
    Na also.
    Sie legte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher