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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz
Autoren: Giles Blunt
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einen Umweg vorbei am neuen Schnellrestaurant von Tim Hortons und dem Baumarkt in Kauf nehmen, um zu dem Gebäude zu gelangen.
    Er passierte neu errichtete Reihenhäuser, von denen die meisten noch unbewohnt waren. Nur in einigen brannte Licht. Vor dem letzten Haus stand ein PT Cruiser, und einen Augenblick lang dachte Cardinal, es sei Catherines Auto. Ein oder zweimal im Jahr hatte er solche Anwandlungen: die plötzliche Angst, dass Catherine etwas zugestoßen sein könnte – dass sie einen manischen Schub erlitten und sich in Gefahr gebracht hatte oder dass sie von Depressionen überwältigt und suizidgefährdet war –, und dann die Erleichterung, wenn sich herausstellte, dass seine Sorge unbegründet gewesen war.
    Er bog in die Einfahrt zum Gateway und parkte untereinem Schild mit der Aufschrift: ANWOHNERPARKPLATZ – BESUCHERPARKPLÄTZE AM STRASSENRAND .
    Ein uniformierter Polizist stand vor dem mit Absperrband gesicherten Tatort.
    »Hallo, Sergeant«, sagte der Polizist, als Cardinal auf ihn zukam. Er sah aus, als wäre er etwa achtzehn Jahre alt, und Cardinal konnte sich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern. »Da hinten liegt eine Tote. Sieht aus, als wäre sie ziemlich tief gestürzt. Ich dachte mir, am besten sperre ich hier großräumig ab, bis wir mehr wissen.«
    Cardinal schaute an dem Mann vorbei zu der Stelle hinter dem Gebäude. Alles, was er sehen konnte, waren ein Müllcontainer und ein paar Autos.
    »Haben Sie irgendwas angefasst?«
    »Äh, ja. Ich hab bei der Toten den Puls gefühlt, aber da war nichts mehr zu spüren. Und ich hab ihre Taschen nach einem Personalausweis durchsucht, aber keinen gefunden. Wahrscheinlich eine Bewohnerin, die vom Balkon gesprungen ist.«
    Cardinal sah sich um. Normalerweise fanden sich an solchen Orten Schaulustige ein. »Keine Zeugen? Niemand, der was gehört hat?«
    »Das Gebäude steht mehr oder weniger leer, glaub ich, bis auf die Geschäfte im Erdgeschoss. Als ich kam, war niemand mehr da.«
    »Okay. Geben Sie mir Ihre Taschenlampe.«
    Der junge Mann reichte Cardinal die Lampe und öffnete die Absperrung, um ihn durchzulassen.
    Cardinal bewegte sich langsam, um keine Spuren zu verwischen, für den Fall, dass die Vermutung des jungen Polizisten, die Frau sei von einem Balkon gesprungen, sich als falsch erweisen sollte. Er ging an dem Müllcontainer vorbei, der bis oben hin vollgestopft war mit alten Computerteilen. An einerSeite hing eine Tastatur an ihrem Kabel herunter, und ein paar Platinen schienen auf dem Boden explodiert zu sein.
    Die Leiche lag bäuchlings direkt hinter dem Müllcontainer, und sie trug eine hellbraune Jacke mit dunkelbraunen Lederbesätzen an Ärmeln und Kragen.
    Genau wie Catherines Jacke, dachte Cardinal.
    »Ich konnte an keinem der Balkone da oben ein offenes Fenster oder eine offene Tür entdecken«, sagte der junge Polizist. »Wahrscheinlich kann der Hausmeister uns sagen, wer sie ist.«
    »Ihr Ausweis liegt im Auto«, sagte Cardinal.
    Der junge Polizist sah sich um. Neben dem Gebäude standen zwei Autos.
    »Das kapier ich nicht«, sagte er. »Woher wissen Sie, welches ihr Auto ist?«
    Aber Cardinal hörte ihn überhaupt nicht. Verblüfft sah der junge Mann, wie Sergeant John Cardinal – der Star des CID-Teams, ein altgedienter Ermittler, der die kompliziertesten Kriminalfälle der Stadt gelöst hatte, ein alter Haudegen, legendär für seine Sorgfalt bei der Untersuchung eines Tatorts – mitten in der Blutlache auf die Knie sank und die Tote in die Arme nahm.

2
     
    N ormalerweise wäre Lise Delorme stocksauer gewesen, wenn man sie an ihrem freien Tag an einen Tatort beordert hätte – und dass es dauernd passierte, machte es nicht weniger ärgerlich. Sie saß in einem indischen Restaurant mit ihrem neuen Freund, einem sehr gut aussehenden Anwalt, der nur ein oder zwei Jahre jünger war als sie. Sie hatten sich kennengelernt, als er erfolglos einen Gewohnheitsverbrecher verteidigte, den Delorme wegen Erpressung festgenommen hatte. Es war ihre dritte Verabredung, und obwohl es Delorme eigentlich widerstrebte, mit einem Anwalt ins Bett zu gehen, hatte sie vorgehabt, ihn nach dem Essen auf einen Drink zu sich einzuladen. Shane Cosgrove hieß er.
    Es hätte die Sache reizvoller gemacht, wenn Shane ein besserer Anwalt gewesen wäre. Delorme war der Meinung, sein Mandant hätte eigentlich freigesprochen werden müssen angesichts des dünnen Beweismaterials, das sie gegen ihn in der Hand gehabt hatte. Aber Shane sah wirklich
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