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Eisige Umarmung (German Edition)

Eisige Umarmung (German Edition)

Titel: Eisige Umarmung (German Edition)
Autoren: Nalini Singh
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jungen Medialengehirnen hingezogen. Im Medialnet war er ein Lehrer.“
    Sie dachte darüber nach, war überrascht, überhaupt eine Antwort erhalten zu haben. „Meinen Sie damit, er hatte bereits die Fähigkeit zu fühlen, bevor er abtrünnig wurde?“
    „Wir haben alle diese Fähigkeit“, stellte Judd richtig. „Die Konditionierung durch Silentium dient nur dazu, Gefühle abzutöten – man kann sie nicht völlig auslöschen.“
    Sie fragte sich, was wohl auf ihrem Gesicht zu sehen war, denn in seinem sah sie nur eisige Beherrschtheit. Ihr Ärger hatte ihn nicht berührt … auch ihre Furcht nicht … oder ihr Schmerz. Als ihr das klar wurde, machte sich ein eigenartiges, hohles Gefühl in ihrer Magengegend breit. „Aber Sie haben gesagt, Walker sei anders.“
    Als Judd nickte, fielen ihm ein paar dunkle Strähnen in die Stirn. „Da mein Bruder ständig Kontakt mit Kindern hatte, nicht zuletzt auch mit Toby und Marlee, deren Konditionierung noch nicht vollständig abgeschlossen war, besaß er schon immer eine gewisse Anfälligkeit dafür, unter geeigneten Umständen Silentium zu durchbrechen.“
    „Und was ist mit Ihnen?“ Diese Frage hatte sie ihm noch nie gestellt. „Was war Ihre Aufgabe im Medialnet?“
    Er wirkte mit einem Mal angespannt. Aber er klang unverändert, als er antwortete. „Sie brauchen nicht noch mehr Albträume. Erzählen Sie mir lieber, was Sie gesehen haben!“
    Sie ging näher an diesen gefährlichen Mann heran. „Irgendwann werden Sie darüber reden müssen.“ Doch seine unbeugsame Haltung zeigte ihr, dass es nicht heute geschehen würde. Sie nahm all ihren Mut zusammen und öffnete die Büchse der Pandora. „Ich habe Timothys Tod geträumt. Aber … ich habe damals nicht sein Gesicht gesehen … nur einen ovalen Umriss bloßer Haut anstelle von Gesichtszügen.“ Das verstörende Bild ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. „Ich habe gesehen, wie er starb. Eine scharfe Klinge durchtrennte Muskeln und Fettgewebe, glitt durch blutiges Fleisch.“
    Judds Blick ruhte weiter regungslos auf ihr. „Das könnte auch eine Übertragung sein – Ihr Verstand könnte Ihnen etwas vorgaukeln, das Enrique Ihnen eingegeben hat.“
    Es erfüllte Brenna mit Abscheu, dass Enrique so weit gekommen war. Sascha hatte ihr versichert, sie sei nicht gebrochen, habe ihn von ihrem Innersten ferngehalten, doch es fühlte sich nicht so an. Brenna glaubte vielmehr, dass dieser Scheißkerl zu ihrem eigentlichen Wesen vorgedrungen war und von innen heraus jeder Zelle von ihr Gewalt angetan hatte. Denn Sascha wusste nicht das Schlimmste … wusste nicht, was Brenna bei diesem Schlächter noch hatte ertragen müssen – dieses Geheimnis würde sie mit ins Grab nehmen.
    „Brenna.“
    Ihr Zwerchfell zog sich zusammen, und sie hob den Kopf. „Übertragung?“
    Er sah sie so durchdringend an, als wollte er in sie hineinsehen. „Es könnte sein, dass sich ein altes Bild vor ein neues schiebt.“
    Denn es hatte Enrique Spaß gemacht, sie zu quälen, indem er ihr Bilder der bereits begangenen Morde zeigte. „Nein“, widersprach sie. „Schon bevor ich Tims Leiche gesehen hatte, konnte ich spüren, wie sich … die Schnitte, das Böse, unterschieden.“ Enrique hatte ein Skalpell bevorzugt, das er mit seinen telekinetischen Kräften geführt hatte. Kardinalmediale waren die stärksten Medialen, aber selbst in dieser illustren Gruppe waren Enriques Kräfte etwas Besonderes gewesen. „Es war, als würde ich dazu gezwungen, die Fantasien eines anderen anzuschauen.“ Am meisten ängstigte sie die Vorstellung, ihr Verstand könnte noch einmal missbraucht werden, könnte angefüllt werden mit düsteren, ekelerregenden Gedanken, die durch nichts zu vertreiben waren.
    „Sie sind eine Gestaltwandlerin und keine Telepathin.“ Eine Sekunde lang glaubte sie, die goldenen Punkte im satten Braun wären aufgeblitzt. „Das kann nicht alles gewesen sein.“ Das war eine Feststellung, keine Frage.
    Brenna schluckte. „Als ich von diesem Mord träumte, als ich die Schreie hörte, da –“ Ihre Nägel gruben sich in die Handballen.
    „Was, Brenna?“ Seine Stimme klang fast sanft. Aber vielleicht wollte sie das auch nur glauben.
    „Es hat mich erregt“, gab sie zu und fühlte sich schmutzig, abartig wie ein Monster. „Ich habe es genossen.“ Sie hatte Verlangen gespürt, die Schmerzen ihres Opfers hatten sie mit einer kranken Erregung erfüllt. „Jeden Schnitt, jeden Schrei habe ich genossen.“
    Der Ausdruck auf Judds Gesicht
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