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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Geschichte?«
    »Ja, wahrscheinlich«, sagte Hrund. »Matthildur wurde nie gefunden. Jahre später kam ein Junge oben in den Bergen ums Leben, der auch nie gefunden wurde. Das Leben in diesem Land ist kein Zuckerschlecken.«
    »Nein«, sagte Erlendur, »das stimmt.«
    »Willst du vielleicht, dass ich dir etwas über diese Geschichte erzähle?«
    »Nein, darum geht es mir nicht.«
    »Es hieß, dass Matthildur Jakob nie in Ruhe gelassen und ihn zum Schluss in den Tod getrieben hat. Sie soll auch schuld an dem Schiffbruch gewesen sein. Kompletter Unsinn natürlich. Isländer mögen nichts lieber als Geistergeschichten, und sie machen sich einen Spaß daraus, welche zu erfinden. Es ging sogar so weit, dass einer der Sargträger behauptete, er hätte Jakob jammern hören, als sein Sarg in die Erde gesenkt wurde. Unglaublich, was die Leute so reden. Und das war noch lange nicht alles.«
    »Irgendwann kam mir eine Geschichte mit einem Engländer zu Ohren«, sagte Erlendur.
    »Ja, darüber wurde auch geklatscht. Sie soll ein Techtelmechtel mit einem von diesen englischen Soldaten gehabt, heimlich mit ihm das Land verlassen und sich so dafür geschämt haben, dass sie nie wieder etwas von sich hören ließ.«
    »Und danach ist sie angeblich bald gestorben?«
    »Ja, es hieß, sie sei gestorben, kurz nachdem sie Island verlassen hatte. Man hat sich bei den Besatzungssoldaten erkundigt, die hier waren, aber die wussten von gar nichts. Es ist ja auch absurd. Vollkommen absurd.«
    »Sind noch irgendwelche Verwandte oder Freunde von Jakob am Leben, mit denen ich reden könnte?«
    »Viele sind es nicht. Er kam seinerzeit aus Reykjavík und lebte eine Zeit lang bei seinem Onkel mütterlicherseits in Djúpivogur, aber der ist schon lange tot. Vielleicht solltest du versuchen, mit Ezra zu sprechen. Er war Jakobs Freund.«

Sechs
    Um ihn herum ist es dunkel und kalt, Gedanken drängen auf ihn ein, Bilder von Menschen und Ereignissen, und er kann nichts dagegen tun. Er ist im gleichen Augenblick überall und nirgends.
    Er liegt in seinem Zimmer und spürt, wie ihn nach der Spritze eine seltsame Ruhe überkommt. Er wehrt sich zunächst dagegen, aber es nützt nichts. Es ist ein Gefühl, als würde das Blut aufhören zu fließen, und seine Gedanken verflüchtigen sich wie im Nebel.
    Der Arzt sagt ihm, was er vorhat, aber er hört kaum etwas davon. Er sträubt sich dagegen, setzt sich nach Leibeskräften zur Wehr, bis er festgehalten und wieder ins Bett gezwungen wird. Der Arzt bespricht etwas mit der Mutter, sie stimmt mit einem Kopfnicken zu. Er sieht die Spritze in der Hand des Arztes, spürt einen schmerzhaften Stich im Arm, und langsam wird er ruhiger.
    Seine Mutter setzt sich zu ihm auf die Bettkante und streichelt ihm die Stirn. Sie sieht unendlich traurig aus, und er will alles tun, um das zu ändern.
    »Kannst du uns etwas über deinen Bruder sagen?«, flüstert sie.
    Er hat geringfügige Erfrierungen an Händen und Füßen, aber sie verursachen ihm keine Schmerzen. Er kann sich nur noch erinnern, wie er in den Armen eines Angehörigen der Suchmannschaft zu sich kam, der versuchte, ihm warme Milch einzuflößen. Die Männer hatten sich beim Tragen abgewechselt, um ihn so schnell wie möglich ins Warme zu bringen. Seine Mutter trägt ihn das letzte Stück, bis der Arzt ihn in Empfang nimmt, ihn untersucht und die Erfrierungen behandelt. Er erfährt, dass sein Vater am Leben ist. Wieso sollte er das nicht sein?, denkt er. Er erinnert sich an nichts. Er sieht die fremden Menschen, die im Haus sind, Männer mit Funkgeräten und langen Stöcken, die sie vor dem Haus abgestellt haben; Leute, die ihn ansehen, als sei er ein Geist. Nach und nach kehrt das Bewusstsein zurück, und in seiner Erinnerung fügt sich das, was passiert ist, seit sie sich auf den Weg gemacht hatten, bruchstückhaft zusammen; zuerst verworren und lückenhaft, doch schließlich das ganze Bild. Er greift nach dem Arm seiner Mutter.
    »Wo ist Beggi?«, fragt er.
    »Er war nicht bei dir«, antwortet sie. »Wir suchen weiter an der Stelle, wo man dich gefunden hat.«
    »Ist er noch nicht wieder zu Hause?«
    Seine Mutter schüttelt den Kopf.
    Da hält es ihn nicht mehr im Bett. Er bäumt sich auf und will hinaus, aber seine Mutter hindert ihn daran. Das macht ihn nur wilder, er kann sich losreißen, läuft auf den Flur und steht dem Arzt und den zwei Männern gegenüber, die ihn hinunter nach Bakkasel getragen haben. Er will ihnen ausweichen, aber sie packen ihn mit
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