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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
Autoren: Nicola Förg
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Ausritt abhanden gekommen. So einfach ist das. Nun lass uns lieber feiern. Ich gebe ein Gläschen Champagner aus!«
    Der hatte Nerven! Auf einem Ausritt. Zwischen Pflaumdorf und Kaltenberg lagen so einige Kilometer, Dörfer, Straßen. Aber sie war zumindest in einem geneigt, Marco zuzustimmen. Wahrscheinlich hatte der Dieb das Pferd irgendwo »zwischengelagert«. Hatte wohl angenommen, dass die Polizei es suchen würde, und wollte warten, bis Gras über die Sache gewachsen war. Sie konnte sich leicht vorstellen, dass das Pferd irgendwo zwischen Schwabhausen und Schöffelding versteckt gewesen war. In den Farteshauser Hölzern gab es verschwiegene Waldwege und versteckte Stadl, rund um den Kreuzberg genauso, und von dort war es nicht weit nach Eresing. Sei’s drum, das Pferd war wieder da, wieso die Feste nicht feiern.
    »Also wo ist der Champagner?«, rief Jo, und weil Steffi gerade hereinkam, lachte sie diese an. »Champagner, Mädel! Suente ist wieder da. Champagner für alle!«
    »Ich möchte eure Euphorie ja nicht schmälern, aber, ich glaub, der Champagner muss warten! Wir haben schon wieder ein Problem.«
    »Bitte nein! Keine Probleme mehr. In ein paar Tagen ist Premiere. Also, was ist los?«
    »Die Ritter kotzen! Sie kotzen ganz erbärmlich. Schöner kann ich es nicht formulieren. Sie kotzen sich die Seele aus dem Leib und blockieren alle Klos. Lebensmittelvergiftung, Salmonellen, was weiß ich! Aber bis heute Nachmittag geht da nichts.«
    Jo war von ihrem Sessel aufgesprungen. »Wie kann das sein? Seit wann?«
    »Muss etwas mit dem Frühstück zu tun gehabt haben. Die haben heute alle in einem der Container gefrühstückt, backstage, nicht im Hotel, weil die doch schon in aller Frühe trainiert haben. Weil’s da gerade mal nicht geregnet hatte.«
    »Aber wie kann das sein? Wo kam das Frühstück her?«
    »Aus dem Bräustüberl. Die haben keine Ahnung, wie das passieren konnte. Drum denk ich ja, es könnten Salmonellen sein. Die hatten Rühreier.«
    Jo sah Marco an. »Dir geht’s aber gut?«
    »Ich habe nicht mit den Jungs gefrühstückt.«
    »Merde!« Jo konnte auch französisch statt allgäuerisch fluchen. In Notfällen. Das war einer. Schon wieder. Heute wäre Pressekonferenz mit Pressetraining gewesen. Merde! Das würde wieder ein Einsatz im Dienste der Engelszungen und der Diplomatie werden. Sie musste rund fünfzig Journalisten umdirigieren. Nichts leichter als das! Menschenskinder, da musste man doch zynisch werden. Mit Steffis Hilfe gelang es am Ende, den Termin auf morgen, Dienstag, zu verlegen. Bis auf wenige Kollegen, die schon anderweitig verpflichtet waren, war die Meute umdirigiert.
    In ihrem früheren Job als Tourismusdirektorin hatte Jo nie Angst gehabt, vor vielen fremden Menschen zu sprechen. Heute hatte sie so was von Bammel. Das war neues Terrain, ein leibhaftiger Prinz würde anwesend sein, zudem war es ihre Aufgabe, die Fragen an Marco zu übersetzen.
    Aber wenn sie Marco auch die letzten Tage mehrfach verflucht hatte, heute hätte sie ihn küssen mögen. Er ritt auf Suente mitten in die Pressekonferenz hinein. Ließ das Pferd vor den Zuschauerreihen steigen. Ohs und Ahs und Achs, die Journalisten waren begeistert, erst recht, als die Ritter vorgestellt wurden und in der Arena dahinpreschten für die Fotografen. Suente stürzte spektakulär wie im Film, Motivado platzierte sein Hinterteil im Sand und spielte mit den Ohren. »Ist der süß!« Die Journalistinnen waren begeistert. Ob das »süß« dem Pferd oder Marco galt?
    Jo entspannte sich, alles lief reibungslos. Das Essen in der Ritterschwemme, riesige Schweinshaxn, kam gut an, das Kaltenberger Bier lief und lief. Gegen zwei war die ganze Meute wieder weg. Bis auf wenige Journalisten, die noch auf dem Gelände herumschlichen. Aber die kamen allein zurecht. Brauchten nicht unbedingt ihren PR -Babysitter.
    Jo atmete nochmals tief durch und begann ein wenig beim Training zuzusehen. Sie lehnte sich an den Zaun der Arena. Wie oft hatte sie das nun schon gesehen? Sehr oft, täglich. Seit Tagen. Und doch war sie immer wieder aufs Neue fasziniert. Marco saß nicht im Sattel, er verschmolz mit seinem Pferd. Sie, die sie seit vielen Jahren Pferde hielt, ihnen verfallen war und ihnen zu oft verzieh, würde es nie zu einer großen Reiterin bringen. Sie war viel zu wenig konsequent. Zu sich selbst und den Tieren. Deshalb faszinierte sie Marco ja so: Mit minimalen Hilfen, sodass ein ungeübtes Auge sie nicht mal bemerkte, dirigierte er seine
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