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Eischrysanthemen

Eischrysanthemen

Titel: Eischrysanthemen
Autoren: Angelika Murasaki
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rötlichen Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammengebunden und lächelte Vincent entschuldigend an.
    „Oh, es tut mir so leid. Ich weiß auch nicht, warum sie ständig abhaut. Du hast wieder die Balkontür aufgelassen, oder?“ Ihre helle, melodische Stimme tröstete ihn heute nicht, denn er hatte Angst vor dem, was in seiner Wohnung los sein könnte.
    „Ich war heute in Eile, und da habe ich es wohl vergessen“, sagte Vincent, öffnete die Tür und ließ Marianne den Vortritt. Die junge Frau huschte auf dicken Socken hinüber in Vincents Wohnung.
    „Hoffentlich hat sie sich nur nicht wieder an deinen Büchern vergriffen“, sagte sie ein wenig peinlich berührt und eilte erst in Vincents Küche, dann in sein Badezimmer, in sein Schlafzimmer und schließlich ins Wohnzimmer, während Vincent sich kommentarlos den Mantel auszog und ihn an einen Haken hängte.
    „Ich hab sie!“, kam es aus dem Wohnzimmer, was für Vincent bedeutete, dass er sich nun weiter vorwagen konnte, ohne Gefahr zu laufen gekratzt und gebissen zu werden. Denn so gerne sich dieses elendige Katzenvieh auch in seiner Wohnung aufhielt, so sehr schien es Vincent als Person zu hassen. Die wenigen Versuche, bei denen er selbst versucht hatte, die Katze zu fangen, hatten mit blutenden Fingern oder Schlimmerem geendet.
    „Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen, warum sie immer wieder gerade bei dir rumstreunen will“, bemerkte Marianne mit dem Tier auf dem Arm. Während Vincents Augen über die hohen Regale glitten, um zu erfahren, ob die Katze diese als Kratz- und Kletterbaum benutzt hatte.
    „Wahrscheinlich wegen ...“, weiter kam er gar nicht, da ihn Marianne gleich unterbrach.
    „Warte! Du hattest heute doch das Interview, oder? Sag, wie ist es gelaufen?“, wollte sie augenblicklich wissen und machte es sich ungefragt auf dem Sofa bequem, die Katze dabei stetig im Nacken kraulend.
    Vincent rieb sich mit den Händen über das Gesicht, um seine gereizte Laune zu vertreiben. So schnell hatte er nicht auf dieses Thema kommen wollen.
    „Tja, ich habe es nicht bekommen“, gab er schließlich ein wenig geknickt zu, was Marianne sofort aufspringen ließ.
    „Wie bitte? Aber Mark hat doch gesagt ...! Ich werde ihm echt die Leviten lesen. Er hat mir doch versprochen, dass er das arrangieren wird!“, stieß sie tief empört aus, dass Vincent Mühe hatte, sie zu bremsen.
    „Nein, nein, der Interviewtermin hat stattgefunden, nur habe ich eben keins bekommen“, versuchte Vincent zu erklären, was Marianne eher irritierte als beruhigte. Vincent legte den Kopf in den Nacken.
    „Ich habe eine dreiviertel Stunde auf Kira gewartet, und als er endlich kam, hatte er keine Zeit mehr. Ich bin auf morgen vertröstet worden“, sagte Vincent ziemlich knapp, worauf er ein Schnaufen von Marianne kassierte. Dass sie mit sich so nicht umspringen lassen würde, war ihm schon klar, aber sie war eben auch ganz anders als er.
    „Ist ziemlich unverschämt sich so zu verhalten“, verkündete sie ihr Urteil, wobei die Katze wie zustimmend schnurrte.
    „Ist es auch, aber ich brauche dieses Interview, sonst kann ich der Festanstellung beim Kulturmagazin Ade sagen.“ Vincents Frustration kam nicht von ungefähr, denn als freier Journalist war sein Einkommen davon abhängig, wie und wo er seine Kolumnen unterbringen konnte, was oft schon fast mit Betteln verbunden war. Mit einer Festanstellung hätte er nicht nur ein festes Gehalt gehabt, sondern eine eigene, regelmäßige Kolumne, was Vincents Leben um einiges ruhiger gemacht hätte. So musste er sich von Artikel zu Artikel hangeln und ständig sparsam leben, um auch noch am nächsten Monat die Miete bezahlen zu können. So ein Leben konnte für einen Berufsanfänger interessant sein, aber das war Vincent nicht mehr, und er sehnte sich zumindest nach finanzieller Sicherheit.
    „Und jetzt, wo ich noch angekündigt habe, dass ich ausgerechnet diesem Kerl ein paar Worte entlocken kann, wird sich der Redakteur ganz sicher nicht mit ein paar belanglosen Beschreibungen abspeisen lassen.“
    „Das ist echt beschissen“, kommentierte Marianne ziemlich treffend. Vincent musste lächeln. „Und nun? Ist der Kerl wirklich so schwierig, wie man von ihm hört? Hat er solche durchgedrehten Starallüren?“, erkundigte sie sich mit einer gewissen Neugierde.
    Vincent dachte darüber nach. „Ich befürchte, dass es weniger Starallüren sind, als einfach sein Charakter, der einen auf die Palme treiben kann“, antwortete
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