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Einsame Herzen

Einsame Herzen

Titel: Einsame Herzen
Autoren: Desiree Cavegn
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hatte.
Danielle stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel und vergrub das Gesicht in den Händen. Es war hoffnungslos. Ihre Vorräte reichten höchstens noch für eine Woche.
Wenn nur der Schnee nicht schon Anfang November gefallen wäre! Wenn sie bloss noch Zeit gehabt hätte, sich mit genügend Nahrungsmitteln für die Wintermonate einzudecken!
Danielle lachte rau auf. Sie und die Kinder standen kurz vor dem Hungertod. Wenn sie nicht alles bestens im Griff hatte!
"Mama?", vernahm Danielle eine schwache Stimme.
Erschrocken fuhr Danielle zusammen. Emma stand unter der Wohnzimmertür und musterte ihre Mutter besorgt. Danielle richtete sich gerade auf, zwang sich zu einem breiten Lächeln.
"Hallo, Liebling."
Emma musterte Danielle abwägend.
Die scheue Emma hatte noch nie viel gesprochen. Sie war vier gewesen, als sie, Danielle, Roger geheiratet hatte. Schon als Danielle Emma kennengelernt hatte, hatte Emma kaum ein Wort gesprochen. Sie hatte sich stets hinter einem Teddybären versteckt, der doppelt so gross war wie sie selbst. Danielle war es nur langsam gelungen, Emmas Vertrauen zu gewinnen. Es sollte vier lange Jahre dauern, bis sich Emma Danielle endlich öffnete.
Danielle hatte stets den Verdacht gehegt, dass die zurückhaltende Emma Roger überforderte. Roger war ein Mann, der gerne im Rampenlicht stand, sich gerne im Mittelpunkt eines Gespräches wiederfand, der gerne bestaunt und bewundert wurde. Für alle, die dies nicht taten, brachte er nur ein geringes Interesse auf.
Roger war kein Vater, der sich um seine zurückhaltende Tochter bemühte, versuchte, sie zu verstehen und ihr das Gefühl von Schutz und Geborgenheit zu vermitteln. Danielle hatte immer den Verdacht gehegt, dass Roger sich innerlich schon früh von Emma distanziert hatte. Als er erkannt hatte, dass seine Tochter hundertachtzig Grad anders war als er, war ihm das wahrscheinlich merkwürdig erschienen, um nicht zu sagen befremdend. Danielle wusste, dass Roger sogar einen Vaterschaftstest hatte machen lassen. So sehr hatte er daran gezweifelt, Emmas Vater zu sein. Der Test hatte ihn als Vater zwar eindeutig bestätigt, ihn aber nicht unbedingt beruhigt. Er war auf jeden Fall nur allzu erleichtert gewesen, die Pflege seiner Tochter ihr, Danielle, zu überlassen.
Emma, die während ihrer ersten vier Lebensjahre ohne Mutter aufgewachsen war, war Danielle zuerst mit grosser Skepsis gegenübergetreten, einer Skepsis, die sich erst mit Louise Geburt gelegt hatte. Nach Louise Geburt hatte Emma Danielle mit dem Baby beobachtet, hatte verfolgt, wie Danielle das Baby stillte, tröstete und mit ihm spielte und hatte dann allmählich selbst Zuneigung zu Danielle gefasst. Eines Tages hatte Louise Danielle dann "Mama" gerufen. Als Emma es dem Baby wenig später gleichgetan hatte, hatte sie wohl nicht nur Roger und Danielle, sondern auch sich selbst überrascht.
"Ist alles gut, Mama?", fragte Emma leise.
Danielles Lächeln wurde noch breiter, noch strahlender. "Natürlich, Liebling. Natürlich. Wieso machst du dir Sorgen?"
Emma schien nicht recht zu wissen, ob sie ihrer Mutter Glauben schenken sollte, entschied sich dann aber dafür, Danielles Worten zu vertrauen. Sie zuckte die Schultern, wandte sich zögernd ab.
Danielle liess sich erleichtert in die Couch zurückfallen, als Emma das Wohnzimmer verliess.
Acht Jahre, dachte Danielle bitter. Acht lange Jahre war sie nichts anderes gewesen als das modische Accessoire von Roger Krebs. Eines Morgens war sie endlich aufgewacht, hatte sich entschlossen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Und wohin hatte das sie und die Mädchen geführt? An den Rand des Hungertods!
Danielles Lippen bebten. Sie konnte sich keinen falschen Stolz mehr erlauben, nicht unter diesen Umständen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als Hilfe zu suchen. Sie würde einen ihrer netten, freundlichen, hilfsbereiten Bilderbuchnachbarn um Hilfe bitten müssen.
Die Frage war nur: welchen?

In einen dicken Mantel gehüllt, die Mütze tief über die Stirn gezogen, die Hände in Handschuhen vergraben, stand Danielle unentschlossen vor dem Nachbarhaus. Sie wusste genau, was sie tun musste und dennoch zögerte sie. Sie war so entschlossen gewesen, sich und die Kinder ohne jede Hilfe durch den Winter zu bringen, doch es war ein verzweifelter Entschluss gewesen, von vornherein zum Scheitern verurteilt.
In diesem Moment wünschte sich Danielle weit weg, um der Schmach und der Schande ihres Scheiterns zu entgehen. Nur schon beim Gedanken, an die Haustür
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