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Einfach Abschalten

Einfach Abschalten

Titel: Einfach Abschalten
Autoren: William Powers
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Abstand zu sorgen. Wie Poes Seemann hatten wir uns den Strudel genau angesehen und entschieden, dass diese kleine Veränderung uns retten könnte. Und es funktionierte.
    Nach etwa sechs Monaten erreichten wir den Punkt, wo es uns vor dem wöchentlichen Abschalten nicht mehr graute, sondern wir uns darauf freuten. Eines Freitagabends sagte Martha, sie bräuchte am nächsten Morgen eine besondere Ausnahme. Sie musste dringend ein paar berufliche E-Mails vor Montag beantworten, und sie konnte sich nicht auf die Bücherei verlassen, weil dort die Bildschirmplätze oft belegt waren. Ich ließ mein Date mit dem Router ausfallen und ging zu Bett. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, überprüfte ich, ob wir für einen Vormittag im Netz wirklich noch online waren. »Nein«, sagte sie immer noch müde unter der Decke hervor. »Der Gedanke, am Samstag aufzuwachen, um Mails zu schreiben, war so deprimierend, dass ich lieber lange aufgeblieben bin, um sie alle noch zu erledigen.« Ich wollte mich um den Router kümmern, aber sie hatte es schon getan.
    Langsam begriffen wir, auf unterbewusste Art, welch hohen Preis es forderte, ständig vernetzt zu sein. Da wir nun regelmäßig ohne Internet waren, erfassten wir aber auch in vollem Umfang, welchen Nutzen und Wert es hatte. Wir machten nun in wechselndem Rhythmus die Erfahrung mit beiden Zuständen, sodass wir jeden im Kontrast zum anderen zu schätzen wussten. Wenn ich montagmorgens an meinen Bildschirm zurückkehrte, war mein Geist immer noch in seiner Sabbat-Verfassung, und ich konnte meine digitalen Geschäfte mit größerer Ruhe und Konzentration erledigen, zumindest die ersten Tage. Die innere Gelassenheit verging meist zum Ende der Woche hin, und bis Freitag war ich wieder so weit, »fort« zu gehen. Ein paar Mal haben wir einen spontanen Ein-Tages-Sabbat unter der Woche hineingemogelt, wenn einer von uns für eine wichtige Sache die digitale Umnebelung loswerden musste.
    Wir machen das nun schon ein paar Jahre, und es ist inzwischen fast schon ein Automatismus. Manchmal vergessen wir am Freitag, den Router auszuschalten, aber es macht keinen Unterschied. Seit wir die Gewohnheit abgelegt haben, an diesen Tagen unsere Bildschirme zu benutzen, passiert es uns auch nicht mehr, dass wir es versuchen. Eine künstlich auferlegte Regelung wurde schlicht zu der Art, wie wir leben. An Wochenenden ist das Haus eine Art Insel fern des Wahnsinns, eine Oase der seligen Netzlosigkeit. Und die gute Energie, die wir aus unserer Zeit dort beziehen, nehmen wir mit hinüber in unser übriges Leben.
    Das heißt nun nicht, dass wir nur herumliegen und gar nichts tun. Martha und ich arbeiten immer noch viel am Wochenende, und wir haben einen Terminplan voller Familienaktivitäten. Nur das Internet kommt darin nicht mehr vor. Elektronische Geräte sind eigentlich dazu gedacht, Ordnung in unser Leben zu bringen, doch wenn man sie entfernt, kehrt eine natürliche Ordnung zurück. Es ist weitaus einfacher, mit anderen in einem Raum zu sein und dort zu bleiben. Es ist leichter, Augenkontakt zu halten und gute Gespräche zu führen. Es ist sogar leichter, anderen fernzubleiben. Wenn einer von uns sich aus der Gruppe entfernt, dann wirklich, weil er mit einem Buch oder mit Musik oder seinen eigenen Gedanken allein sein will, was sich jetzt gesünder anfühlt. Anders formuliert: Sowohl das Zusammensein wie das Alleinsein waren ein Problem für uns gewesen. Jetzt ist beides für uns eine ganz einfache Sache.
    Wir sind nicht die Einzigen, die das entdeckt haben. Freunde schicken uns gelegentlich Artikel und Links über andere, die ähnliche Regelungen ausprobiert haben, die sie manchmal ebenfalls Sabbat nennen. 206 Mark Bittman, ein Restaurantkritiker der New York Times, schrieb über einen »säkularen Sabbat«, den er eingeführt hat, nachdem er auf einem Flug seine E-Mails gecheckt hatte und ihm dadurch klar wurde, dass er techniksüchtig war. Er schwor dem für einen Tag in der Woche ab, und nun, sechs Monate später, war er verblüfft über die Veränderung: »Diese Errungenschaft hat mein Leben wie keine andere verändert.« Der Autor Stephen King äußerte, dass er, nachdem er erkannt hätte, dass er fast die Hälfte des Tages vor dem Bildschirm saß, beschlossen habe, dies einzuschränken. »Ich nehme nicht an, dass sich irgendjemand auf seinem Totenbett wünscht, er hätte mehr Zeit mit Chatten verbracht.«
    Nicht jeder Haushalt ist in der Lage, das einmal ausprobieren zu können. Es gibt Jobs
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