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Einfach Abschalten

Einfach Abschalten

Titel: Einfach Abschalten
Autoren: William Powers
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positives, Franklinsches Ritual, bei dem wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf das richteten, was wir aufgaben, sondern auf den Nutzen, den wir uns davon erhofften, ein engeres Familienleben.
    Wir nannten es den Internet-Sabbat. »Ihr sollt kein Feuer anzünden am Sabbattag in allen euren Wohnungen«, heißt es im Buch Exodus, und das war im Grunde das, was wir mit unseren Bildschirmen gemacht hatten. Sie mochten vielleicht noch angehen, aber ohne Verbindung zum Internet hatten sie keine große Anziehungskraft.
    Der Anfang war hart. Am ersten Samstag wachten wir an einem Ort auf, der vielleicht so aussah wie unser Zuhause, aber auf eine Weise verändert schien, die man schwer benennen konnte. Es war, als wären wir auf einem anderen Planeten gelandet, wo Aliens unser Leben perfekt nachgebaut hätten, aber es wäre alles nur Kulisse und wir wüssten es. Irgendetwas stimmte nicht. Wenn man seit langem in einer Bildschirmwelt lebt, verliert man wirklich das Gefühl für die dritte Dimension. Die Räume waren so still und ruhig, alles war so frustrierend reglos und nicht interaktiv. Ich konnte spüren, wie mein Geist die Oberflächen der Gegenstände abtastete und nach einer Bewegung, einer Neuigkeit, einer Rückmeldung suchte. Warum kann man keine Couchtischabfrage machen? Wir lechzten alle nach dem digitalen Nektar und erwischten uns immer wieder dabei, wie wir uns in unsere jeweiligen Ecken begaben, nur um uns daran zu erinnern, dass das sinnlos war.
    Neben den mentalen Anpassungen gab es logistische Schwierigkeiten.
    Wir hatten unseren Freunden und den Leuten, mit denen wir beruflich zu tun hatten, mitgeteilt, dass sie uns von nun an nicht mehr sofort erreichen würden, wenn sie uns am Wochenende anmailten. Wenn es nicht bis Montag Zeit hatte, sollten sie anrufen. Manche waren von unserem Plan überrascht und fasziniert, ein paar konnten es nicht recht glauben. Da wir beide zu Hause arbeiteten, schnitten wir nicht nur den Informationsfluss in unser Familienleben, sondern auch zu unseren Arbeitsplätzen ab. Wie würden wir damit klarkommen?
    Die Regeln besagten, dass wir, wenn wir wirklich einmal ins Internet müssten, in die Stadt gehen und die Computer in der öffentlichen Bibliothek nutzen könnten. Der Sinn war der, das Haus wirklich offline zu halten. So kam es, dass wir besonders in den ersten Monaten gelegentlich die Bibliotheksrechner nutzten. Später spielte es sich ein, dass wir im Vorhinein absehen konnten, was wir online erledigen müssten, und uns an den Wochentagen darum kümmerten. Wenn zum Beispiel ein Geburtstag bevorstand, machten wir uns eine Notiz, die E-Card schon vorher auf den Weg zu bringen. Wenn am Montag ein Schulprojekt fertig sein musste, mussten alle Online-Recherchen am Freitagabend erledigt sein. Kurz: Wir lernten, uns ein bisschen besser zu organisieren, ein unerwarteter Nebennutzen.
    Und doch murrten wir alle. Es gab eine Menge spezieller Dinge, die wir von Anfang an vermissten. Kein spontanes Googeln nach benötigten Fakten. Keine Online-Bezahlung von Rechnungen, eine Sache, die ich vorher meist vollständig an den Wochenenden erledigt hatte. Kein rasches Abfragen von Fahrtrouten oder Kinoprogrammen. Wenn William eine Sportveranstaltung mit seiner Mannschaft hatte und es regnete, konnten wir nicht mal eben in den Mails nachsehen, ob es abgesagt worden war. Er vermisste die Seiten mit seinen Online-Spielen. Martha vermisste die E-Mails mehr als ich. Ich konnte kein Internet-Radio hören und bedauerte vor allem die Einbuße eines bestimmten Jazzkanals aus L. A.
    Aber nach ein paar Wochen und Monaten wurden aus diesen echten Störfaktoren unbedeutende Unbequemlichkeiten, bis sie überhaupt kein Thema mehr waren. Wir lösten unseren Geist allmählich von den Bildschirmen, an denen er festhing. Wir waren wirklich beieinander, wenn wir zusammensaßen, und nirgends sonst, und das konnten wir alle merken. Es gab in unseren Köpfen eine atmosphärische Veränderung, eine Entwicklung zu einem langsameren, weniger ruhelosen, entspannteren Denken. Wir konnten einfach an einem Ort sein, eine bestimmte Sache tun und es genießen.
    Hier und da machten wir eine Ausnahme. An einem Wochenende, ein paar Monate, nachdem die Regelung in Kraft getreten war, steuerte ein Hurrikan aufs Cape zu, und einige Verwandte riefen an, um zu hören, ob wir evakuiert wurden. Sollten wir wieder online gehen, um den Verlauf des Sturms zu verfolgen, oder ihn aussitzen und das Beste hoffen? Keine schwierige Entscheidung: Wir
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