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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Autoren: Stephan Niederwieser
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vermutete, daß sie langsam müde wurde.
    „Bernhard!“ Edvard erwartete vermutlich Hilfe in der Küche.
    „Edat hat gerufen“, stellte Hannah fest. „Edat“ hatte sie gesagt, bevor sie „Mama“ sagen konnte. Kim erklärte es damit, daß Hannah nach der Geburt zuerst Edvard gesehen hatte und nicht sie – dabei können Neugeborene kaum mehr als Schatten von Licht unterscheiden. Ich glaube, Kim behauptete das, weil es sie traurig machte, daß sie nicht fähig war, eine so enge Bindung zu ihrer Tochter aufzubauen wie Edvard. Es hätte viel mehr Hingabe erfordert, viel mehr, sich selbst zurückzustellen und das Kind zum Zentrum ihres Lebens zu machen, was Kim einfach nicht fertigbrachte.
    Inzwischen hätte Hannah Edvards Namen richtig aussprechen können, aber er blieb Edat. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
    „Professorchen!“ zirpte Edvard.
    „Was?“ raunte ich zurück.
    „Kannst du mir mal helfen?“
    „Wir sind bald fertig“, rief ich ebenso zirpend in die Küche.
    „Warum gehst du nicht hin?“ fragte Hannah.
    „Weil ich ihm nicht helfen will.“
    „Und warum nicht?“
    „Weil er Max zum Essen eingeladen hat, und den mag ich nicht.“
    „Warum magst du den Max nicht?“
    „Weil Max ein komischer Vogel ist“, sagte ich, weil ich ihr den wahren Grund nicht erklären wollte: Ich mochte nicht, was Max repräsentierte, nämlich den Schwulen, wie die Gesellschaft ihn gerne sieht: promisk und beziehungslos; einer, der sich nachts in Parks rumtreibt, auf Autobahnraststätten oder in Saunen dem anonymen Sex nachjagt.
    Bei Max drehte sich alles nur um Sex; er redete ständig darüber, ja selbst sein erster Roman, in dem er über den Aids-Tod eines Freundes schrieb, war eine einzige lange Sexszene. Und seither schrieb er Pornogeschichten.
    „Max ist ein Vogel?“ fragte sie müde.
    Ich mußte lachen und küßte sie auf die schon halb geschlossenen Lider. „Nein, Schatz. Kein echter Vogel. Aber ein eigenartiger Mensch, den keiner mag.“
    Das war nun – leider – eine ausgesprochene Lüge. Seine Freunde, inklusive Edvard, flogen geradezu auf ihn. Er war charmant und intelligent und den Gerüchten zufolge – natürlich! – der beste Liebhaber der Stadt. Es schien, als wäre ich der einzige, der ihn nicht mochte. Es wollte mir nicht in den Kopf, warum sich andere mit ihm abgaben.
    „Und warum lädt Edat ihn dann ein?“
    Weil mein Mann sich in den Kopf gesetzt hatte, Max unter die Haube zu bringen, und trotz diverser Fehlschläge nicht aufgeben wollte. Das war die Wahrheit, aber auch das würde sie nicht verstehen, daher sagte ich: „Weil er ein Dickschädel ist, wie du weißt.“
    In Erwartung einer Bestätigung schaute ich sie an, aber ihre Augen waren bereits zugefallen, und daher blieb sie aus. „Du nimmst Edat also in Schutz, was?“ Ich drückte ihr einen Kuß auf den Kopf. „Na ja, würd ich an deiner Stelle auch. So wie er dich verzieht.“ Dann hob ich sie hoch und ging mit ihr in die Küche.
    „Wann holt Kim eigentlich Hannah ab?“ fragte ich, bevor Edvard mich mit Befehlen überschütten konnte. Hannah hatte ihren Kopf auf meine Schulter gelegt; ihre Atemzüge wurden länger.
    „Keine Ahnung. Sie sagte, wir sollen anrufen.“
    „Und? Hast du?“
    „Wann denn? Siehst du nicht, was hier noch zu tun ist? Der Tisch ist nicht gedeckt, und ich habe gerade erst die Zwiebeln gehackt.“
    Die versteckte Aufforderung überhörte ich, ging zum Telefon und wählte. Bei Kim war besetzt – wie so oft. Ich rief sie auf dem Handy an. Sie antwortete, wimmelte mich aber schnell ab: „Ich sprech grad auf der anderen Leitung. Ich ruf dich in fünf Minuten zurück. Okay?“
    Toll! Ich setzte mich neben das Telefon und wartete. Hannah hatte sich drei Finger in den Mund gesteckt – der Daumen hatte ihr noch nie gereicht –, das war das Vorzeichen: In spätestens fünf Minuten würde sie eingeschlafen sein.
    „Bist du müde, mein Mäuschen?“ fragte ich überflüssigerweise; sie antwortete mit trägem Kopfschütteln.
    Edvard kam aus der Küche, warf mir einen fragenden Blick zu, wohl auf Unterstützung hoffend. Ich deutete auf Hannah und zuckte hilflos mit den Schultern. Er verschwand.
    Kim rief natürlich nicht an, nicht nach fünf Minuten und auch nach einer Viertelstunde nicht. Sie hatte mich entweder vergessen oder telefonierte immer noch. Dafür war Hannah inzwischen fest eingeschlafen. Ich stand vorsichtig auf, ging ins Schlafzimmer und legte sie auf unser Bett, wo ich sie vorsichtig
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