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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Autoren: Stephan Niederwieser
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gibt es Paprika St. Croix.“ Er lächelte mich an, mit einem Lächeln, das mich schwach werden läßt.
    Paprika St. Croix? Ich zuckte. Oh, oh! Mir schwante nichts Gutes. Da war doch was im Busch!
    Edvard sah meine Reaktion, und das Lächeln verschwand: „Sag bloß, du hast vergessen, daß wir Max und Jean-Paul eingeladen haben?“
    „Max und Jean-Paul?“
    „Du hast es also vergessen“, sagte er. „O Bernhard, mein Unverbesserlicher.“
    Ein paar Worte zu meiner Verteidigung: Das mit dem Vergessen ist so eine Sache. Was soziale Ereignisse angeht, habe ich nicht gerade das beste Gedächtnis, das gebe ich zu; sie sind mir einfach nicht so wichtig wie Edvard. Aber ich glaube, daß er mir so manche Verabredung verschweigt, weil er befürchtet, daß ich nicht zustimmen würde, besonders wenn sie etwas mit Max zu tun hat. Das Weingetue und Feinschmeckergehabe dieses Schreiberlings geht mir nämlich auf die Nerven. Ich kann ihn einfach nicht leiden.
    „Nein. Natürlich habe ich das nicht vergessen“, sagte ich und hörte an meiner Stimme, daß ich den Groll nicht ausreichend unterdrückt hatte. „Ich dachte nur …“ Es lohnte nicht, deswegen eine Auseinandersetzung anzufangen. „Egal.“
    Ich wendete mich ab und schaute Hannah zu, die gerade die Gemüsereste mitsamt der Zeitung in den Komposteimer stopfte, so wie wir es ihr beigebracht hatten, dann überreichte sie mir die Schüssel, mit ihren kleinen verschnittenen Karottenscheiben, die sie Blumen nannte.
    „Ui! Und die hast alle du gemacht?“
    Sie wischte sich an ihrem Kleidchen ab und faltete die Hände schüchtern hinter dem Rücken. Ihr Gesicht leuchtete vor Stolz: „Derokation.“
    „Sind ja richtige Meisterwerke geworden. Dann sollten wir jetzt mal Hände waschen.“ Ich stellte die Schnipsel neben den Herd. „Derokation für Max“, sagte ich – der Groll schwang noch immer in meiner Stimme –, nahm Hannah bei der Hand und ging mit ihr ins Bad.
    „Komm her, Mäuslein!“ Ich schob den Trethocker vors Waschbecken; sie stieg hinauf und stellte sich auf die Zehenspitzen, um an den Hahn heranzureichen. Bis vor zwei Monaten hatte man ihr noch helfen müssen; inzwischen bestand sie darauf, es allein zu tun. Ich setzte mich auf den Rand der Wanne und beobachtete sie, bereit, sie zu fangen, sollte sie wanken.
    Hannah hielt die Hände unter den Strahl: „Fertig!“
    „Nee, nee, nee. Da liegt Seife. Schön zwischen die Finger damit“, sagte ich.
    Sie griff murrend nach dem klobigen Waschstück und bewegte es zwischen ihren Händchen. Es erforderte ihre volle Konzentration; ihr ganzer Körper war daran beteiligt. Im Spiegel sah ich ihr Gesicht, die kleine rosafarbene Zunge, die zwischen den feuchten Lippen hin- und herglitt, und das Stupsnäschen, bei dem ich immer an eine Rutschbahn für Engel denken mußte.
    Da stand doch schon wieder ein neues Produkt auf der Konsole: „Eye Rescue“, las ich, „Undereye Therapy.“ Wie dramatisch sich das anhörte, wahrscheinlich hatte Edvard es nur deswegen gekauft. Seine Waschcreme, die Lotion für den Tag, die Antifaltencreme für die Nacht, seine Deos, After Shaves und Eau de Toilettes, von denen er die komplette Serie aus drei verschiedenen Duftreihen besaß, nahmen vier Fünftel der Konsole ein. Ganz rechts standen meine Zahnbürste, mein Rasierapparat und mein Deoroller.
    „Puh!“ Hannah stieß einen lauten Seufzer aus, als hätte sie Schwerstarbeit geleistet.
    „Und was stellen wir jetzt an, kleine Prinzessin?“ Ich nahm ihr das Handtuch ab und hängte es über den Halter. Sie zuckte mit den Schultern; in manchen Momenten konnte sie so erwachsen wirken.
    „Sollen wir malen?“ Damals vertrieb sie sich am liebsten mit Hannah-Bildern die Zeit. Sie entstanden, indem sie sich auf einen großen Bogen Packpapier legte und ich ihren Körper mit einem dicken Filzstift nachzeichnete, manchmal mit ausgestreckten Armen, mit dem Gesicht im Profil oder mit angewinkelten Beinen. Diesen Umriß malte sie dann aus, schmückte ihn mit phantasievollen Kleidern – gerne in Pink –, dekorierte ihn mit Kettchen oder Blumenschmuck und setzte ihn in unterschiedliche Umgebungen, bevorzugt Wiesen mit Schmetterlingen, die man allerdings erst erkannte, nachdem sie es einem erklärt hatte.
    Hannah schüttelte so vehement den Kopf, daß ihre blonden Löckchen flogen. Malen wollte sie also nicht. Sie kletterte vom Hocker herunter und lehnte sich an mich an. Ich drückte ihren Kopf gegen meinen Bauch. Es war schon nach sieben; ich
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