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Eine unberührte Welt - Band 4 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 4 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 4 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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den Anfänger machen, wenn sie Kurzgeschichten schreiben, ist der, viel zu langsam zu beginnen. Da steht der Held erst mal eine Seite lang auf. Die nächste Seite braucht er, um aufs Klo zu gehen, sich zu waschen und rasieren und herauszufinden, welcher Tag ist. Weitere zwei Seiten lang frühstückt er. Dann stellt er fest, dass Aliens die Welt übernehmen wollen, eine fiese Verschwörung mit ihnen im Bunde ist und er, der Held, der Einzige ist, der all das verhindern kann – was er dann auf den restlichen anderthalb Seiten erledigt.
    Auch diese Geschichte, eines meiner frühen Werke, hatte zunächst eine Einleitung, von der ich erst Jahre später merkte, dass sie überflüssig war wie ein Kropf. Nicht nur ersatzlos, sondern überdies zum Vorteil der Story streichbar. Denn sie enthielt nur vorgezogen an den Anfang eine Art »Moral von der Geschicht’«, und wenn eine Story etwas nicht braucht, dann das.
    Mangels Veröffentlichungsmöglichkeit stand sie lange einfach auf meiner Homepage. Was einer Veröffentlichung in papierner Form natürlich zunächst im Wege stand, denn alle, die mich fragten, wollten dann doch lieber was Neues, Exklusives oder jedenfalls nicht allgemein Erhältliches.
    Bis eines Tages eine Dame vom Bertelsmann Buchclub anrief und genau diese Geschichte für eine Anthologie wollte.
    Und natürlich bekam. So schnupperte der »Garten Eden« den Papierduft erstmals in der 2004 von Iris Grädler herausgegebenen Anthologie »Sommer am Meer und anderswo« im Bertelsmann Buchclub, zusammen mit Kurzgeschichten von Charlotte Link, Patricia Shaw, Diana Gabaldon, Elke Heidenreich, Maeve Binchy, Harlan Coben und anderen.
    Die Party nach der offiziellen Hochzeitsfeier war verschwenderisch ausgestattet, und die vielen Leute! Tonak kannte die wenigsten. Das sollten alles seine Verwandten sein? Kaum zu glauben.
    »Tonak!« Eine tiefe Männerstimme. Tonak drehte sich um, den Teller in der Hand, den er am Buffettisch zu füllen im Begriff war.
    Die gewaltige Gestalt Onkel Perets. »Tonak, mein Junge – du bist groß geworden, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe!«
    Typisches Verwandtengeschwätz, dachte Tonak. Dasselbe hatte er heute schon mindestens fünf Mal zu hören bekommen, und ihm war immer noch keine geeignete Antwort darauf eingefallen. So sagte er nur: »Hallo, Onkel Peret.«
    »Na, wie gefällt es dir bei uns im Amazonas? Du bist das erste Mal hier, nicht wahr?«
    »Ja, stimmt.« Tonak sah sich um. Es stimmte, und es stimmte auch wieder nicht. Sein Blick ging über die Terrasse, den weitläufigen Park dahinter, die anderen Wohneinheiten, die sich sanft in die Landschaft schmiegten. »Allerdings habe ich mir das Amazonasgebiet immer ganz anders vorgestellt. Anders als bei uns zu Hause zumindest.«
    Onkel Peret lachte. »Ja, ja, dein Vater hat mir schon von deiner Leidenschaft für die alten Abenteuerbücher erzählt. Aber diese Zeiten sind wirklich sehr, sehr lange her. Heute gibt es keine Wilden und keinen Dschungel mehr, und die gefährlichen Krankheiten sind längst ausgerottet. Auch hier hat die Kultur gesiegt, letzten Endes.«
    »Ja, sieht so aus.« Sie waren alle so begeistert davon, alle, die er kannte.
    »Kennst du eigentlich schon deine Cousine Gham’bia?« Er bedeutete einem schlaksigen Mädchen, herzukommen. »Gham’bia, ich möchte dir deinen Cousin Tonak aus Europa vorstellen. Er ist mit seinen Eltern erst heute angekommen, gerade noch rechtzeitig zum Fest.«
    Sie musterte ihn mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich verriet, was sie von dieser Art, ein Gespräch anzubahnen, hielt. »Hallo, Tonak.« Sie gab ihm betont artig die Hand.
    Tonak war die Situation unbehaglich. »Hallo, Gham’bia.«
    »Tja, ich glaube, ich muss jetzt weiter, meinen Pflichten als Gastgeber nachkommen«, meinte Onkel Peret, wie nicht anders zu erwarten gewesen war. »Unterhaltet euch schön, ihr zwei. Wir sehen uns später, Tonak, ihr seid ja noch ein paar Tage hier.«
    Er bedachte sie mit einem Lächeln, das wohl harmlos wirken sollte, aber nur sehr künstlich aussah, und verschwand rasch zwischen den anderen Gästen.
    Die Sonne war dabei unterzugehen, und Dämmerung senkte sich über die Landschaft. Ein sanfter Wind strich durch die Bäume, fremdartiges Zirpen ertönte von irgendwoher. Auf den Tischen brannten Kerzen in gläsernen Schalen, und Fackeln beleuchteten das Buffet und die Wege.
    »Tut mir leid, Tonak, dass ich gerade so pampig war«, sagte Gham’bia. »Es hat nichts mit dir zu tun. Ich hasse
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