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Eine Überwinterung im Eise

Eine Überwinterung im Eise

Titel: Eine Überwinterung im Eise
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Küste beerdigt; er hatte seine Heimat verlassen, um dem einzigen Sohn Hilfe und Rettung
     zu bringen, und mußte nun hier dem schrecklichen Klima zum Opfer fallen. Sein Grab erhob sich auf einem Hügel und wurde durch
     ein einfaches Holzkreuz bezeichnet.
    Von diesem Tage an hatten Ludwig Cornbutte und seine Gefährten noch manche harte Prüfung zu bestehen, ihre Gesundheit aber
     erlangten sie wieder, und zwar durch den Genuß der Citronen, die sie bald nach der Katastrophe wieder fanden. Vierzehn Tage
     nach dem beschriebenen furchtbaren Ereigniß waren auch Gervique, Gradlin und Pierre Nouquet so weit hergestellt, daß sie ihr
     Lager wieder verlassen und sich durch körperliche Bewegung stärken konnten.
    Die Jagd wurde bald leichter und ergiebiger; die Seevögel kehrten in großen Schwärmen zurück, und auch eine Art wilder Ente,
     die sich in dieser Gegend sehr häufig fand, lieferte einen ganz vorzüglichen Braten. Die Jäger hatten bei ihren Ausflügen
     keinen anderen Unfall, als daß sie zwei vonihren Hunden einbüßten, als sie fünfundzwanzig Meilen südlicher die Stärke des Eises recognosciren wollten.
    Im Monat Februar schneite und stürmte es fast unaufhörlich; die mittlere Temperatur betrug noch immer fünfundzwanzig Grad
     unter Null, aber doch litten die Ueberwinterer vergleichsweise wenig von der Kälte. Bald kündigte ihnen die Sonne, die sich
     mehr und mehr über den Horizont erhob, das Ende ihrer Prüfungen an, und wir dürfen wohl annehmen, daß auch der Himmel Erbarmen
     mit den armen Seeleuten fühlte, denn die Wärme stellte sich in diesem Jahre außergewöhnlich frühzeitig ein. Schon im Monat
     März kreisten einige Raben um das Schiff, und ihnen folgten Flüge wilder Gänse und Kraniche, die sich auf ihren nördlichen
     Wanderungen bis hierher verloren hatten.
    Die Rückkehr der Vögel war das Signal für die Verminderung der Kälte, doch durfte man nicht zu feste Hoffnungen darauf bauen,
     denn bei einem Wechsel des Windes, bei Neumond oder Vollmond ging die Temperatur oft plötzlich wieder herunter, und die Seeleute
     waren gezwungen, wieder ihre größten Vorsichtsmaßregeln in Anwendung zu bringen. Die Verschanzungen des Schiffes, die Verschläge
     des Deckzimmers, das sie nicht bewohnten, und einen bedeutenden Theil der Brücke hatte man bereits als Brennmaterial verbraucht,
     es war also hohe Zeit, daß die Ueberwinterung zu Ende ging. Im März stellte sich die Durchschnittstemperatur nicht über sechzehn
     Grad, und Marie mußte eilen, neue Kleider für die wärmere Jahreszeit zu verfertigen.
    Seit der Tag- und Nachtgleiche war die Sonne beständig über dem Horizont geblieben, und somithatten die acht Monate steter Helligkeit begonnen, deren ununterbrochene Wärme eine so wunderbare Wirkung auf das Schmelzen
     des Eises übt.
    Man mußte sehr vorsichtig zu Werke gehen, um die Jeune-Hardie von dem hohen Bett der Eisschollen, das sie umgab, herabzulassen.
     Das Schiff wurde solide gestützt, und man hielt es nun für geeignet zu warten, bis die Schollen durch den Eisgang brechen
     würden. Aber es bedurfte dessen nicht; die inneren, auf einer wärmeren Wasserschicht ruhenden Eisschollen lösten sich allmälig
     ab, die Brigg senkte sich nach und nach, und als die ersten Tage des April herankamen, war sie wieder auf ihrem natürlichen
     Niveau angelangt.
    Stürmische Regengüsse beschleunigten jetzt noch die Zersetzung des Eises, und das Thermometer sank wieder auf zehn Grad unter
     Null. Einige von den Leuten legten jetzt ihre Robbenfellkleider ab, und man fand es nicht mehr nöthig, wie bisher Tag und
     Nacht das Feuer in den Oefen zu unterhalten. Der Vorrath an Spiritus war bereits sehr zusammengeschmolzen und wurde nur noch
     zum Kochen der Speisen verwandt.
    Bald begann das Eis mit dumpfem Krachen und großer Schnelligkeit auseinander zu bersten, und man konnte nicht mehr ohne Gefahr
     einzubrechen auf den Flächen vorgehen, sondern mußte erst mit einem Stock das Terrain sondiren, ehe man einen Schritt that.
     Mehrmals fiel Dieser oder Jener von den Seeleuten in's Wasser, aber sie kamen immer mit einem kalten Bade davon.
    Auch die Robben stellten sich wieder ein und waren eine willkommene Jagdbeute, denn ihr Fett konnte außerordentlich nutzbar
     gemacht werden.
    Die Gesundheit der Mannschaft blieb vorzüglich, und Jeder machte sich nach Kräften mit Vorbereitungen zur Abfahrt und mit
     der Jagd zu schaffen. Ludwig Cornbutte studirte häufig das Fahrwasser und beschloß
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