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Eine Überwinterung im Eise

Eine Überwinterung im Eise

Titel: Eine Überwinterung im Eise
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Augenblick in Zweifel. Jetzt begriff Ludwig, wie es kam, daß die Feinde so gesund geblieben waren, aber es stand nicht
     mehr in seiner Macht, ihnen die Citronen zu entreißen, obgleich sein und seiner Gefährten Leben von ihrem Besitz anhing; zum
     ersten Mal verfiel er in düstere Verzweiflung.

Vierzehntes Capitel.
Noth und Elend.
    Am 20. Januar fühlten sich die meisten der Unglücklichen so schwach, daß sie ihr Bett nicht mehr verlassen konnten. Jeder
     hatte außer seiner wollenen Decke noch ein Büffelfell, um sich vor der Kälte zu schützen; sobald aber einer von ihnen den
     Versuch machte, seinen Arm unter der Decke hervorzubringen,empfand er so furchtbare Schmerzen, daß er ihn sofort wieder zurückziehen mußte.
    Nachdem jedoch Ludwig Cornbutte den Ofen geheizt hatte, kamen Penellan, Misonne und André Vasling aus ihren Betten und kauerten
     sich um das Feuer. Penellan kochte Kaffee, und dieser gab den Matrosen wie auch dem jungen Mädchen, das dazu kam, wieder neue
     Kraft.
    Ludwig Cornbutte ging nun an das Bett seines Vaters, der regungslos dalag, und dessen Gebeine durch die Krankheit total kraftlos
     geworden waren. Der arme alte Mann murmelte einige abgebrochene Worte vor sich hin, die das Herz seines Sohnes vor Weh erbeben
     ließen.
    »Ludwig, ich werde sterben! ... o, was muß ich leiden! ... Rette mich!« rang es sich mühsam von seinen Lippen.
    Ludwig Cornbutte faßte einen schnellen Entschluß; er ging festen Schrittes auf den Obersteuermann zu und sagte, indem er sich,
     so sehr es ihm möglich war, beherrschte:
    »Wissen Sie, wo die Citronen sind, Vasling?
    – Wahrscheinlich in der Kombüse, antwortete der Obersteuermann, ohne im Geringsten aus seiner Ruhe zu kommen.
    – Sie wissen sehr gut, daß die Citronen nicht mehr dort sind, rief jetzt Ludwig Cornbutte, denn Ihr Schurken habt sie gestohlen!
    – Sie sind hier Herr, Ludwig Cornbutte, und können sagen und thun, was Ihnen beliebt, antwortete Vasling ironisch.
    – Haben Sie Erbarmen, André; Sie sehen, daß mein Vater im Sterben liegt; Sie allein können ihn retten! Antworten Sie!
    – Ich habe hier nichts zu sagen, entgegnete der Obersteuermann.
    – Elender Schuft! schrie Penellan und stürzte mit dem Messer in der Hand auf Vasling zu.
    – Hilfe, Hilfe, meine Leute!« rief André Vasling, indem er vor der Waffe zurückwich.
    Sogleich sprangen Aupic und die beiden Norweger aus ihren Betten und stellten sich hinter ihm auf. Misonne, Turquiette, Penellan
     und Ludwig hatten sich ihrerseits zur Vertheidigung gerüstet. Auch Pierre Rouquet und Gradlin gesellten sich zu ihnen, obgleich
     sie unbeschreiblich matt und hinfällig waren.
    »Noch sind sie zu stark für uns, sagte André Vasling; wir wollen warten, bis der Sieg von vorn herein unser ist!«
    Die Seeleute fühlten sich so krank und muthlos, daß sie nicht wagten, die vier Elenden anzugreifen; im Fall des Unterliegens
     waren sie ja verloren.
    »André Vasling, sagte Ludwig Cornbutte mit matter Stimme, stirbt mein Vater, so hast Du ihn gemordet, und ich bringe Dich
     um wie einen Hund!«
    Er erhielt keine Antwort hierauf; seine Feinde hatten sich nach dem andern Ende des Logis zurückgezogen und verharrten in
     Schweigen.
    Der Holzvorrath mußte abermals erneuert werden; Ludwig Cornbutte stieg trotz der großen Kälte auf das Verdeck und begann einen
     Theil der Verschanzungen abzuschneiden; nach Verlauf einer Viertelstunde mußte er jedoch davon abstehen, denn er lief Gefahr,
     von der Kälte übermannt zu werden. Im Vorübergehen warf er einen Blick auf das Thermometer und sah, daß es zweiundvierzig
     Grad unterNull zeigte. Der Wind wehte aus Norden, und das Wetter war trocken und hell.
    Am 26. setzte der Wind um; er kam aus Nordosten, und die Kälte sank auf fünfunddreißig Grad. Johann Cornbutte rang mit dem
     Tode, und sein Sohn hatte vergebens ein Heilmittel für seine Schmerzen gesucht; endlich aber gelang es ihm, André Vasling
     eine Citrone aus den Händen zu reißen, die dieser soeben aussaugen wollte, und der Obersteuermann gab sich nicht die geringste
     Mühe, um sie wieder zu erlangen; fast schien es, als warte er auf eine passende Gelegenheit, seine Pläne auszuführen.
    Der Citronensaft verlieh dem alten Seemann wieder einige Kraft, aber das Mittel hätte in mehrfach wiederholten Dosen angewandt
     werden müssen; Marie flehte André Vasling auf den Knieen an, ihr die heilkräftigen Früchte zu geben, aber umsonst; er antwortete
     mit keiner Silbe auf ihre
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