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Eine Überwinterung im Eise

Eine Überwinterung im Eise

Titel: Eine Überwinterung im Eise
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Brigg nicht eher ankommt als wir! rief sie.
    – Beeile Dich, Kleine, drängte Johann Cornbutte; der Wind kommt von Norden her, und die Jeune-Hardie fährt gut, wenn sie raumschoots
     segelt.
    – Haben Sie unsere Freunde benachrichtigt, Onkel? fragte Marie.
    – Gewiß!
    – Auch den Notar und den Pfarrer?
    – Sei unbesorgt; mir scheint nur, Du allein wirst uns warten lassen!«
    In diesem Augenblick trat Gevatter Clerbaut ein.
    »Nun, mein alter Cornbutte, das nenne ich Glück! rief er aus. Dein Schiff kommt gerade zur Zeit an; die Regierung hat soeben
     große Holzlieferungen für die Marine ausgeschrieben.
    – Was geht das mich an? fragte Johann Cornbutte; wir haben jetzt an Anderes zu denken, als an die Regierung! Sie müssen wissen,
     Herr Clerbaut, daß wir jetzt nur einen Gedanken haben, und das ist die Rückkehr unseres Ludwig.
    – Ich will nicht leugnen, daß ... meinte der Gevatter; aber diese Holzlieferungen...
    – Sie werden doch auch bei der Hochzeit sein? fragte Johann Cornbutte, indem er ihm in die Rede fiel und dem Geschäftsmann
     mit solcher Herzhaftigkeit die Hand drückte, daß dieser meinte, er wolle sie ihm zermalmen.
    – Die Holzlieferungen...
    – Alle unsere Freunde zu Wasser und zu Lande sind dabei, Clerbaut. Ich habe sie schon sämmtlich benachrichtigt und gedenke,
     auch die ganze Mannschaft der Brigg einzuladen!
    – Werden wir sie am Hafendamm erwarten? fragte Marie.
    – Ich denke doch, antwortete Johann Cornbutte. Der Zug geht zu Zweien, mit der Musik voran!«
    Die Gäste kamen alsbald an, und obgleich es noch sehr früh am Tage war, fehlte nicht ein Einziger am Versammlungsplatz.
    Jeder beeilte sich, dem wackern Seemann zur Ankunft seines Sohnes Glück zu wünschen, und Jeder freute sich mit ihm, denn er
     genoß große Liebe und Achtung im ganzen Orte.
    Marie lag auf den Knieen und sandte statt ihrer sonstigen Gebete inbrünstige Danksagungen zum Himmel empor. Bald trat sie,
     schön geschmückt, wieder in den gemeinsamen Saal, ließ sich von allen Gevatterinnen die Wange küssen und reichte den Gevattern
     ihre Hand. Nun gab Johann Cornbutte das Zeichen zum Aufbruch.
    Es war ein interessantes Schauspiel, wie die freudig bewegte Schaar bei Sonnenaufgang den Weg zum Meere einschlug. Die Nachricht
     von der Ankunftder Brigg war schnell im Hafen bekannt geworden, und wo der Zug vorüberkam, zeigten sich Köpfe in Nachthauben an den Fenstern
     und in den halbgeöffneten Thüren. Von allen Seiten winkte man Grüße und Glückwünsche.
    So kam der Hochzeitszug unter Lobsprüchen und Segnungen am Hafendamm an; das Wetter war prächtig geworden; es schien fast,
     als wolle sich die Sonne am Fest betheiligen. Ein schöner Nordwind schwellte die Wogen, und einige Fischerschaluppen, die
     alle Segel so dicht wie möglich beim Winde gestellt hatten, durchstreiften in rascher Fahrt das Meer zwischen den Hafendämmen.
    Der Kai des Hafens von Dünkirchen wird durch zwei Molen verlängert, die weit in's Meer hinausreichen. Die fröhliche Schaar
     nahm die ganze Breite der nördlichen Mole ein und erreichte bald ein kleines Häuschen, das am Ende derselben lag, und in dem
     der Hafenwächter wohnte.
    Die Brigg Johann Cornbutte's war jetzt mehr und mehr sichtbar geworden; der Wind machte sich frischer auf, und die Jeune-Hardie
     segelte schnell unter ihren Marssegeln, ihrem Fock- und Briggsegel und ihren Bram- und Oberbramsegeln vor dem Winde. Augenscheinlich
     herrschte an Bord ebensolche Freude wie an Land. Johann Cornbutte hatte ein langes Fernrohr in der Hand und antwortete munter
     auf die Fragen seiner Freunde.
    »Meine schöne Brigg! rief er; so hübsch und blank, als liefe sie eben aus dem Hafen von Dünkirchen aus! Keine Havarie! kein
     einziges Tau weniger!
    – Sehen Sie Ihren Sohn, den Kapitän? fragte man.
    – Nein, noch nicht. O, er hat natürlich jetzt viel zu thun!
    – Warum mag er seine Flagge nicht aufziehen? fragte Clerbaut.
    – Ich weiß nicht, mein alter Freund; er wird wohl seine Gründe dazu haben.
    – Bitte, gieb mir Dein Fernrohr, lieber Onkel, rief jetzt Marie und nahm ihm das Instrument aus den Händen; ich möchte die
     Erste sein, die ihn sieht!
    – Ich bitte doch zu bedenken, daß er mein Sohn ist, Fräulein, meinte der Alte scherzend.
    – Dein Sohn ist er seit dreißig Jahren, entgegnete lachend das junge Mädchen; mein Bräutigam aber erst seit zwei Jahren!«
    Die Jeune-Hardie war jetzt ganz in Sicht; die Mannschaft traf bereits ihre Vorbereitungen zur
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