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Eine tollkuehne Lady

Titel: Eine tollkuehne Lady
Autoren: Gaelen Foley
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der Straße brachte Ian das Pferd zum Stehen. Als er an dem Gebäude hochblickte, sah er eine schneeweiße orientalische Fantasie vor sich, eine Art exotisches Konfekt mit einer türkisfarbenen, zwiebelförmigen Domkuppel und vier kleinen Türmen, die sich an den Ecken wie Minarette erhoben. Das Gebilde schien vor ihm zu schweben, eine schimmernde Illusion, die sich vor dem azurblauen Himmel strahlend weiß abhob.
    Er blinzelte und erwartete beinahe, dass es verschwand.
    Doch es blieb.
    Und als er das Haus noch einmal betrachtete, hatte er wie schon auf dem Gewürzmarkt das Gefühl, ganz langsam verzaubert zu werden, überwältigt, vielleicht verführt von diesem seltsamen Land, als hätte er Opium eingeatmet.
    Er sprang vom Pferd und drehte sich dann ganz selbstverständlich um, um Georgiana zu helfen. Als sie die Hände auf seine Schultern legte, er ihre Taille umfasste und sie auf die Füße stellte, sahen sie einander einen flüchtigen Moment lang an. Über dem durchscheinenden Schleier, der die untere Hälfte ihres Gesichts verhüllte, strahlten ihn ihre kobaltblauen Augen an. Im Kontrast zu ihren Augen wirkte ihre Haut so hell wie Elfenbein, und das nachtschwarze Haar trug sie in einem straffen Knoten zusammengebunden.
    Ian starrte sie an. Das Verlangen durchzuckte ihn wie ein Feuerball und brachte seinen Vorsatz - seinen Empfindungen keine Beachtung zu schenken - ins Wanken.
    „Danke“, flüsterte sie heiser.
    Plötzlich erinnerte er sich daran, wie er sich über sie geärgert hatte, und Ian deutete wortlos auf den Weg. Sie senkte den Blick. Seine Missbilligung war ihr nicht entgangen.
    Als ein indischer Diener in Livree auf sie zueilte, befahl Georgie dem Mann, die Stute noch eine Weile herumzuführen, damit sie sich auch bestimmt abkühlte, ehe sie in den Stall zurückgebracht wurde.
    Der Diener verneigte sich. „Jawohl, Memsahib. “
    Sie warf Ian einen kühlen Blick zu. „Kommen Sie“, murmelte sie dann und ging voran zur Vordertür. Während bei jedem ihrer Schritte leise Glöckchen erklangen, hob sie leicht den Saum ihres Seidensaris.
    Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete Ian sie von hinten, fühlte sich dabei ein wenig wie Odysseus, der fern der Heimat von Circe bezaubert wurde.
    Die meisten alten Barden waren sich darüber einig, dass es ausgesprochen unvorsichtig war, eine Zauberin zu begehren. Vermutlich würde es ihm recht geschehen, wenn Georgiana ihn in einen Molch verwandelte.
    Trotzdem folgte er ihr bis zur Tür und wandte sich, bevor er eintrat, noch einmal rasch um. Mit etwas Glück hatte er mit seinem überstürzten Aufbruch vom Marktplatz seine Verfolger abgeschüttelt. Mit den Augen suchte er den breiten grünen Park auf der anderen Seite der Straße ab, dann den Paradeplatz, der Fort William umgab.
    Ein Dunstschleier ließ die Konturen des großen, achteckigen Bollwerks weicher erscheinen. Ian prägte sich die Umgebung ein und entdeckte niemanden, der verdächtig wirkte. Offenbar waren sie zum Glück bisher auch nicht von den Verwandten des toten Mannes verfolgt worden.
    Dann tat er es Georgiana nach und trat ebenfalls über die Schwelle.
    Im Haus herrschte helle Aufregung, da erst kurz zuvor die junge Inderin angekommen war, in Begleitung des jungen Gentleman, den Ian ebenfalls beim Feuer gesehen hatte. Er hörte, dass die Frau nach oben getragen worden war, damit sie sich von ihrer Qual erholte.
    Inzwischen huschte eine Schar indischer Dienstboten unterschiedlichster Kleidung in aufgeregtem Durcheinander hin und her, beunruhigt über die Wendung der Dinge. Kaum hatte ihre Herrin das Haus betreten, scharten sie sich um sie und begannen, alle gleichzeitig zu reden. Das blitzschnelle Gespräch auf Bengalisch verlief für Ian zu hastig, als dass er etwas verstanden hätte.
    Er wartete eine kleine Weile, aber weder der Vater noch die Brüder seiner Gastgeberin erschienen, daher nahm er die Dinge selbst in die Hand, während Georgiana versuchte, alle Fragen in der Sprache ihrer Angestellten zu beantworten und ihnen Anweisungen zu erteilen. Ian machte sich nützlich, indem er dafür sorgte, dass das Haus gesichert war für den Fall, dass die aufgebrachte Menge ihnen doch gefolgt war.
    Sorgfältig schloss er die Eingangstür hinter sich ab und ging dann im ersten Stock von Raum zu Raum, verriegelte Fenster und Türen. Dabei stellte er erstaunt fest, dass die Einrichtung hier der jedes wohlhabenden Hauses in London glich, trotz der äußerlichen Übertriebenheit. Den einzigen wirklichen
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