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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit
Autoren: Fritz Leiber
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hereinstreichen.«
    Bei dieser Bemerkung verhärteten sich die Gesich ter, denn es gilt als unfein, den Veränderungstod zu er wähnen, und Erich brauste auch sofort auf: » Halt’s Maul, Kamerad! Es gibt immer eine neue Wiederauferstehung!«
    Aber Bruce hielt seinen Mund nicht. Er sagte: »O wirklich? Ich weiß, daß die Spinnen so etwas versprechen, aber selbst wenn sie zurückgehen und sich einen anderen Doppelgänger aus meiner Lebenslinie holen – bin ich das dann?« Er schlug sich mit der bloßen Hand vor die Brust. »Ich glaube es nicht. Und selbst wenn er wirklich mein Ich ist, mit einem lückenlos anschließenden Bewußtsein, warum ist er dann noch einmal wiedererweckt worden? Doch nur, um weitere Kriege zu kämpfen und sich erneut dem Veränderungstod auszusetzen, zum Wohle einer allgegenwärtigen Macht …« seine Stimme stieg einem Höhepunkt entgegen – »ei ner allgegenwärtigen Macht, die so verdammt machtlos ist, daß sie einem armen Soldaten aus dem Schlamm des Passionstals, einem elenden Veränderungskommando, einem gottverlorenen Patienten nicht einmal eine vernünftige Ausrüstung mitgeben kann!«
    Und er streckte uns seine bloße Rechte entgegen, die Finger ein wenig ausgebreitet, als wäre diese Hand das erstaunlichste Objekt und der entrüsteten Sympathiekundgebungen in der ganzen Welt wert.
    Die Neue wählte genau den richtigen Augenblick. Sie glitt zwischen uns hindurch, und ehe er auch nur die Finger krümmen konnte, stülpte sie ihm einen schwarzen Handschuh darüber, und jeder konnte sehen, daß er wie angegossen paßte.
    Diesmal war unser Gelächter noch größer. Wir san ken atemlos zusammen und verschütteten unsere Getränke und schlugen einander auf den Rücken und begannen wieder von vorn.
    » Ach, der Handschuh, Liebchen! Woher hat sie ihn nur?« keuchte mir Erich ins Ohr.
    »Hat den anderen wahrscheinlich nur nach links gedreht – dadurch wird ein linker Handschuh zu einem rechten – ich habe das selbst schon gemacht«, sagte ich atemlos und brach bei der Vorstellung in neues Gelächter aus.
    »Dann wären aber die Nähte draußen«, wandte er ein.
    »Dann weiß ich es nicht«, sagte ich. »Wir haben al len möglichen Kram im Lager.«
    »Egal, Liebchen «, versicherte er mir. » Ach, der Handschuh! «
    Die ganze Zeit über stand Bruce wie festgenagelt da und bewunderte den Handschuh und bewegte ab und zu ein wenig die Finger, und die Neue beobachtete ihn, als äße er einen Kuchen, den sie gebacken hatte.
    Als wir uns etwas beruhigt hatten, blickte er mit breitem Lächeln zu ihr auf. »Wie heißen Sie doch gleich?«
    »Lili«, erwiderte sie, und Sie können mir glauben, von dem Augenblick an war sie nur noch Lili für mich, wegen der Art und Weise, wie sie mit diesem Wahnsinnigen umgesprungen war.
    »Lilian Foster«, erklärte sie. »Ich bin auch aus England, Mr. Marchant. Ich habe Einfälle eines jungen Mannes unzählige Male gelesen.«
    »Wirklich? Schlechtes Zeug. Aus der düsteren Zeit – ich meine, aus meinen Cambridge-Tagen. In den Schützengräben habe ich an Gedichten gearbeitet, die um einiges besser waren.«
    »Das glaube ich nicht. Aber ich würde mich schrecklich freuen, die neuen zu hören. Oh, Mr. Marchant, es war so seltsam, daß Sie es Passionstal ausgesprochen haben.«
    »Warum, wenn ich fragen darf?«
    »Weil ich es selbst auch so nenne. Aber ich habe nachgesehen, und es müßte eher Pas-ksen-da-LE heißen.«
    »O ja! Alle Tommies haben den Ort Passionstal genannt, so wie sie auch Ypern Vipern nannten.«
    »Wie interessant. Wissen Sie, Mr. Marchant, ich möchte meinen, wir waren bei dem gleichen Einsatz 1917. Ich war als Rotkreuzschwester nach Frankreich gekommen, aber man stellte mein Alter fest und wollte mich zurückschicken.«
    »Wie alt waren Sie – sind Sie? Ist ja das gleiche, will ich sagen.«
    »Siebzehn.«
    »Siebzehn in 17«, murmelte Bruce, und seine blau en Augen hatten etwas Glasiges.
    Es war ein wirklich mieser Dialog, und ich konnte Erichs humorvollen Blick verstehen, als wollte er sa gen: »Ist es nicht niedlich, Liebchen, Bruce und dieses dum me kleine englische Schulmädchen, das ihm zwischen den Einsätzen die Zeit vertreibt?«
    Trotzdem, als ich Lili so beobachtete – mit ihrer schwarzen Ponyfrisur und ihrem Perlenhalsband und dem engen grauen Kleid, das ihr kaum bis zu den Knien reichte, den zärtlichen Bruce neben sich aufragend in schmucker Husarenaufmachung, da wußte ich, daß ich hier den Anfang von etwas miterlebte, das ich seit
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