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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
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essen?“
    „Ooo-ch – nein, Sir.“ Der leicht schwachsinnige Bursche wackelte heftig mit dem Kopf. „O nein, Sir.“
    „Hm“, sagte Cafter, „hm – na ja. Was würdest du denn gern sein mögen?“
    Ungläubig sah der Bus-Bursche ihn an. „Alles was ich will?“
    Der Organisator nickte.
    Der Junge lächelte so glückerfüllt, daß Cafter seinen Blick von den irren Augen abwandte. „O Sir, Cyclusfahrer möcht’ ich sein.“
    Cafter lächelte flüchtig. „Wir werden sehen.“
     
     
    „Diese Plackerei braucht doch nicht ewig so weiterzugehen.“
    Die Oberköchin, Arme in die Hüften gestemmt, sah Cafter abschätzend an. „Plackerei? Du lieber Gott, ich habe meine besten Jahre hier in der Küche verbracht.“ Sie seufzte, und Cafter konnte nicht umhin, sich von ihrem üblen Atem abzuwenden. „Ich muß alles kosten, was ich würze“, sagte sie entschuldigend. „Und Sie?“ fragte Cafter die andere Köchin. „Wären Sie nicht für bessere Arbeitsbedingungen?“
    „Ich? Du lieber Gott, ich habe meine besten Jahre hier in der Küche zugebracht.“
    „Ihr werdet ausgebeutet.“
    „Ich nicht“, erwiderte Enrique mit aufdringlicher Selbstzufriedenheit. „Mit dem Boß komme ich gut aus. Das Gehalt ist nicht schlecht. Natürlich isses manchmal ’n bißchen gefährlich, ab und zu …“ Er zuckte die Achseln. „Aber, zum Donnerwetter, dafür werde ich ja schließlich bezahlt.“
    „Ich auch“, bestätigte Gonzago.
    „Sie machen meine Angestellten verrückt“, sagte Kaufmann.
    „Ich wecke ihren Sinn für Gruppensolidarität“, erwiderte Cafter.
    „Hat aber nicht geklappt, hm?“ Mit raschen, sicheren Bewegungen baute der Wirt die Gläser zu einer ordentlichen Pyramide auf. Cafter bekam Lust, die Gläserpyramide umzuschmeißen. „Nein.“
    „Es wird auch nicht.“
    „Hat das einen speziellen Grund?“
    Kaufmann stellte das oberste Glas an seinen Platz. „Das ist eben die natürliche Ordnung der Dinge.“
    Weil ich nicht mit dem Herzen dabei bin, dachte Cafter.
     
     
    In einem der vielen kleinen versteckten Parks von Cinnabar fanden sie Cafter. Über den Rand eines alten steinernen Springbrunnens gebeugt, studierte er gerade eine Sonnenuhr. In einiger Entfernung stiegen drei Wasserstrahlen empor, von denen ein feiner Tröpfchenvorhang im Nachmittagslicht herniedersank. Die Sonnenuhr war eine klare Kristallscheibe mit eingelegten Stundenzahlen. Sie hing über einem Wasserwirbel von einem halben Meter Durchmesser, dessen Zentrum das Wasser einsog und aufs neue in die Bahn brachte. Cafter ließ ein braungeädertes Blatt in den Wirbel fallen und sah zu, wie es im Uhrzeigersinn rotierte, erst langsam, dann schneller, bis es schließlich ins hohle Zentrum hineingesogen wurde.
    Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter und legte ohne hinzusehen die seine darauf. „Es war eine sehr lange Nacht“, sagte er.
    „Es war ein noch längerer Monat“, erwiderte Leah.
    Endlich wandte er den Kopf und sah über Leah hinweg auf die kleine Gruppe im Schatten des Kama-Baumes: der Riese Trillinor, der Liliputaner Reg und das korallenäugige Mädchen Fiona. „Was haben die mit Ihnen zu tun?“
    „Meine Mitarbeiter“, sagte Leah, „mein Aufnahmeteam.“
    „Meine nächste Frage wissen Sie schon.“
    „Vorwiegend historische Dokumentationen. Meine Spezialität. Ich bin noch Anfängerin.“
    „Sie?“
    „Ich führe Regie.“ Fast liebkosend zeichneten ihre Finger die Linie seines Unterkiefers nach.
    Cafter zuckte zusammen – sie hatte eine wunde Stelle berührt. „Ihr Trillinor … sehr sanft ist er nicht.“
    „Er hat es mir erzählt. Als er merkte, daß Sie das Team sehen konnten, dachte er, Ihre Konditionierung sei gestört, und wenn er ein bißchen daran klopfte, würde sie wieder funktionieren.“
    „Funktionieren“, wiederholte Cafter ärgerlich. „Ihr sprecht von mir, als sei ich ein Ding und kein Mensch.“
    Leah gab keine Antwort, sondern streichelte nur sein Gesicht.
    „Schon als ich aus der Wüste herauskam“, fuhr Cafter fort, „hatte ich Zweifel, ob ich überhaupt noch ein richtiger Mensch wäre. Ein Liebespaar fragte mich, wie ich durch die Wüste gekommen wäre. Und ich hatte keine Ahnung, wie das gewesen war.“ Sein Kopf sank auf seine Brust. „Die Realität ist mein schlimmster Feind.“
    „Das gilt für uns alle“, murmelte Leah.
    „Aber ich mag Sie gern“, sagte Cafter, „ganz gleich, wer Sie sind.“ Er hielt inne. „Vermutlich eine Abirrung meinerseits. Doch ich glaube
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