Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
Kutsche gegenübersaß. Doch heute war seine übliche Formlosigkeit verschwunden, und seine stattliche Erscheinung würde jedem prüfenden Blick standhalten.
Die Freude des späten Nachmittags blieb ihnen erhalten. Sie lachten und scherzten in der Kutsche und trugen ihr Herz immer noch auf der Zunge, als sie die Loge betraten. Jonathan gab gar nicht erst vor, lediglich eine Freundin der Damen eskortiert zu haben, und besagten Damen fiel das natürlich sofort auf. Celia war froh, dass sie ihr Geheimnis bereits kannten, denn sie hätte ihre Liebe an diesem Abend unmöglich verbergen können.
Summerhays und seine Frau begrüßten sie herzlich. Lord Hawkeswell schien von ihrer Ankunft hingegen überrascht.
»Er ist nicht besonders diskret«, flüsterte Audrianna ihr ins Ohr, während sie sich auf ihre Plätze setzten, um das Stück zu sehen.
Nein, das war er nicht. Nicht in der Art, wie er sie ansah, und auch nicht in der Art, wie er mit ihr sprach. Alles blieb höchst anständig, aber er verbarg die kleinen Zeichen der Intimität nicht, die besagten, dass sie zusammengehörten.
Er saß neben ihr. Niemand in ihrer Gruppe machte den Versuch, ihn davon abzuhalten. Sie bemerkte, wie sich die Blicke einiger Theaterbesucher in Logen auf der anderen Seite in ihre Richtung drehten. Sie sah, wie Leute die beiden Bastarde in Summerhays’ Loge bemerkten, die dort nichts zu suchen hatten.
Er ist verrückt. Vollkommen verrückt.
Das flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, während auf der Bühne das Stück seinen Lauf nahm. Ab und zu bedachte er sie mit einem eindringlichen Blick, der vermuten ließ, dass er nicht viel von der Handlung mitbekam.
Er opfert nicht nur seine Zukunft, sondern auch deine. Besser eine reiche Geliebte sein als eine verarmte Ehefrau.
Sie erkannte Alessandras Stimme. Dieser Geist hatte bereits versucht, ihr Glück zu verderben, während sie sich für heute Abend fertig gemacht hatte. Da war es Celia noch gelungen, sie zu vertreiben. Doch hier im Theater, unter den Augen der Welt, die er herausforderte, konnte sie Mamas Belehrungen nicht entgehen.
Nicht verarmt
, wollte sie erwidern.
Er ist nicht mittellos. Ich werde weiterhin an The Rarest Blooms beteiligt sein. Wir werden nicht verhungern.
Jetzt ist es noch romantisch und edel und gut, in der ersten Aufgeregtheit einer neuen Leidenschaft. Doch in zehn Jahren, wenn ihr euch beide nach den Vorzügen des Lebens sehnt, das er jetzt ablehnt, wird es zu spät sein, wenn ihr heiratet. Er gibt zu viel auf, genau wie du.
Eine Hand berührte sie. Doch es war nicht Jonathan. Audrianna saß auf ihrer anderen Seite, und ihre weiß behandschuhten Finger legten sich auf ihre. Sie neigte sich an ihr Ohr.
»Du siehst bedrückt aus, Celia, und du warst doch noch so glücklich, als ihr angekommen seid.«
Celia sah sich im Zuschauerraum um. Immer noch wurden Köpfe gedreht, um sie zu beobachten. Audriannas Blick folgte ihrem in diese Richtung.
»Du denkst vielleicht, dass sie alle wissen, wer du bist, aber ich glaube, dass sie lediglich deine Schönheit bewundern«, sagte sie leise.
»Das halte ich für unwahrscheinlich«, entgegnete Celia.
»Das liegt daran, dass du einfach nie recht verstanden hast, wie schön du bist. Aber sei es drum, ich wünschte trotzdem, Castleford wäre gekommen, wie er es versprochen hat. Unser Plan war, ihn ebenfalls hier zu haben. Dann hätten alle nur auf ihn geachtet. Doch leider hat er heute Morgen Sebastian ausrichten lassen, dass er London sofort verlassen und daher absagen muss.«
»Es war wahrscheinlich nur eine Ausrede, weil er erfahren hat, dass ich dabei sein werde.«
Audrianna fand das amüsant. »Er würde sich niemals die Mühe machen, dir aus dem Weg zu gehen, Celia, und du bist die einzige, die er nicht kennt. Er ist mit allen Herren gut befreundet und hat ein besonderes Gefallen an Verity und mir gefunden.«
Da beanspruchte Audriannas Gatte ihre Aufmerksamkeit, und sie ließ Celias Hand los.
Die kurze Unterhaltung hatte die Stimme ihrer Mutter verstummen lassen. Sie meldete sich nicht mehr zu Wort. Celia folgte dem Stück, vergaß jedoch niemals den aufregenden und gut aussehenden Mann an ihrer Seite, der sein Interesse an ihr so öffentlich verkündete. Genauso wenig wie ihre Freunde, über deren Fürsorge sie sehr gerührt war.
Sie nahm an, dass dies alles wohl abgesprochen gewesen war. Von Jonathan und Summerhays und vielleicht sogar von den Damen. Ihre Anwesenheit hier, in dieser höchst respektablen Loge, war
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