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Eine kurze Geschichte von fast allem

Eine kurze Geschichte von fast allem

Titel: Eine kurze Geschichte von fast allem
Autoren: Bill Bryson
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keine Warnung?«
    »Vermutlich nicht. Die letzte nennenswerte Explosion in dem Park ereignete sich 1989 an einer Stelle namens Pork Chop Geyser. Sie hinterließ einen Krater von fünf Metern Durchmesser – nicht gerade riesig, aber groß genug, wenn man zu jener Zeit gerade dort stand. Glücklicherweise war niemand in der Nähe, und deshalb gab es keine Verletzten, aber es geschah völlig ohne Vorwarnung. In sehr ferner Vergangenheit haben Explosionen durchaus Löcher von eineinhalb Kilometer Durchmesser gerissen. Und niemand kann Ihnen sagen, wo oder wann so etwas wieder geschieht. Man kann nur hoffen, dass man dann nicht gerade daneben steht.«
    Eine weitere Gefahr sind herabstürzende große Steine. Einen solchen Steinschlag gab es 1999 im Gardiner Canyon, aber wieder kamen glücklicherweise keine Menschen zu Schaden. Am späten Nachmittag halten Doss und ich an einer Stelle, wo über einer belebten Nationalparkstraße ein Felsüberhang droht. Die Risse im Gestein sind deutlich zu sehen. »Der könnte jederzeit runterkommen«, sagt Doss nachdenklich.
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst«, erwidere ich. Es gibt nicht einen Augenblick, in dem nicht mindestens zwei Autos darunter vorbeifahren, und in allen sitzen vergnügte Touristen.
    »Nun ja, die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß«, fügt er hinzu. »Ich sage nur, er könnte. Ebenso könnte alles noch jahrzehntelang so bleiben. Man kann es einfach nicht sagen. Die Leute müssen akzeptieren, dass es mit einem gewissen Risiko verbunden ist, wenn man hierher kommt. Das ist einfach so.«
    Während wir zu seinem Auto zurückkehren und uns wieder in Richtung Mammoth Hot Springs auf den Weg machen, fügt Doss hinzu: »Das Merkwürdige ist, dass die schlimmen Dinge meistens nicht passieren. Felsen stürzen nicht ab. Erdbeben finden nicht statt. Neue heiße Quellen öffnen sich nicht plötzlich. Für so viel Instabilität ist es hier meistens erstaunlich ruhig.«
    »Wie die Erde selbst«, bemerkte ich.
    »Genau.«
    Von den Risiken sind die Mitarbeiter des Yellowstone-Nationalparks genauso betroffen wie die Besucher. Ein grausiges Gespür dafür bekam Doss vor fünf Jahren, eine Woche nachdem er seine Stelle angetreten hatte. Spät an einem Abend taten drei junge Praktikanten etwas, das eigentlich verboten ist: Sie schwammen oder lümmelten in den warmen Wasserlöchern – ein Vergnügen, das als »Hotpotting« bezeichnet wird. Nicht alle Wasserstellen des Nationalparks sind gefährlich heiß – auch wenn die Parkverwaltung dies aus nahe liegenden Gründen nicht an die große Glocke hängt. In manchen kann man sehr angenehm liegen, und manche Saisonkräfte machten es sich zur Gewohnheit, spätabends noch ein Bad zu nehmen, auch wenn es gegen die Vorschriften war. Die drei waren so dumm und hatten keine Taschenlampe mitgenommen, was äußerst gefährlich ist – der Boden rund um die warmen Quellen ist an vielen Stellen nur eine dünne Kruste, und wenn man durchbricht, fällt man unter Umständen in einen kochend heißen Dampfschlot. Als sie sich auf den Rückweg zu ihrer Unterkunft machten, kamen sie an einen Bachlauf, den sie zuvor bereits übersprungen hatten. Sie traten ein paar Schritte zurück, hakten sich mit den Armen unter, zählten bis drei und nahmen Anlauf für den Sprung. Aber es war nicht der Wasserlauf. Es war eine kochend heiße Quelle. Sie hatten sich in der Dunkelheit verirrt. Alle drei kamen ums Leben.
    Daran muss ich denken, als ich am nächsten Morgen auf meinem Weg zum Parkausgang kurz an einer Stelle namens Emerald Pool im Upper Geyser Basin Station mache. Am Tag zuvor hatte Doss keine Zeit mehr, mit mir hierher zu fahren, aber jetzt möchte ich doch zumindest einen Blick darauf werfen, denn Emerald Pool ist eine historische Stätte.
    Im Jahr 1965 tat das Biologenehepaar Thomas und Louise Brock auf einer sommerlichen Studienfahrt etwas Verrücktes. Sie sammelten ein wenig von dem gelblichbraunen Schaum ein, der sich am Rand der heißen Quelle abgesetzt hatte, und suchten darin nach Lebewesen. Zu ihrer eigenen Überraschung, und später auch zur Verwunderung der ganzen Welt, war er tatsächlich voller lebendiger Mikroorganismen. Sie hatten die ersten Extremophilen gefunden – solche Organismen können in Wasser leben, das man zuvor für viel zu heiß, zu sauer oder zu schwefelhaltig gehalten hatte. Auf den Emerald Pool trafen tatsächlich alle diese Eigenschaften zu, und doch fühlten sich mindestens zwei Arten von Lebewesen, die später unter den
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