Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
vier Tagen.«
    »Viel Glück.«
    »Danke.«
    »Also dann.« Rob wandte sich Matt zu. »Paß gut auf deine Mutter auf«, sagte er, als er dem Jungen die Hand schüttelte. »Ich schicke dir die CD, von der wir gesprochen haben«, fügte er hinzu, »und du übst brav deine Akkorde.«
    Matt nickte. Bridget wußte, wie stolz er war, daß er und seine Musik von einem so bekannten Musiker beachtet wurden.
    Rob wandte sich ab, wollte winken. Aber dann hielt er inne. Er ging zurück zu Bridget, die immer noch neben dem Wagen stand, und nahm sie noch einmal in die Arme. Die Umarmung dauerte länger und sagte, was er das ganze Wochenende nicht gesagt hatte und was er vor Bridgets Sohn nicht sagen wollen.
    Ich weiß, du wirst es schaffen.
    Dann trat er zurück und zog den Riemen seines Kleidersacks etwas höher.
    »Von mir auch«, sagte Josh.
    Bridget schlug die Heckklappe des Van zu. »Okay, das wär’s«, sagte sie zu Matt und Brian. »Steigt ein.«
    Jeder von beiden hätte vorn sitzen können, aber sie setzten sich zusammen nach hinten. Bridget legte den Rückwärtsgang ein. Sie hatte sich von Agnes und von Harrison nicht verabschiedet. Waren die beiden schon abgereist? Sie wendete, und ihr Blick fiel auf den funkelnden Zweig eines Baums. Es war vielleicht eine durch das Licht hervorgerufene optische Täuschung, denn es funkelte nur der eine Zweig. Bridget hielt noch einmal an. Der Anblick war zu schön, um einfach daran vorüberzufahren. Der Zweig wies zu den Bergen hinauf und funkelte wie mit Diamanten besetzt.
    Er war wohl im Schatten gewesen; jetzt, da die Sonne ihn erreicht hatte, würde der glitzernde Schmuck in der Wärme vergehen.
    Bridget kam ein Gedanke. Ein ganz außerordentlicher Gedanke.
    Sie würde vielleicht leben.
    Sie würde vielleicht noch lange Matts Baseballspiele sehen. Melissa würde vielleicht zu Weihnachen zu ihnen kommen. Bridget würde vielleicht eines Tages in der Sonne auf der Tribüne sitzen und zusehen, wie ihr Sohn seinen College-Abschluß erhielt.
    Bridget und Bill würden vielleicht miteinander alt werden. Richtig alt.
    Der Gedanke war so erstaunlich, daß Bridget nach hinten zu Matt blickte, um zu sehen, ob auch er den funkelnden Zweig bemerkt hatte. Aber ihr Sohn hatte schon seinen Kopfhörer aufgesetzt und spielte an seinem Walkman herum. Er lächelte ihr zu und winkte.
    Ein Wunder, dachte Bridget, als sie den Gang einlegte und vom Parkplatz fuhr.

HARRISON KEHRTE in sein Zimmer zurück und begann zu packen. Auf dem Schreibtisch lag der Brief an Evelyn, den er vor zwei Tagen geschrieben hatte. Er las ihn und zerriß ihn. Die Fetzen warf er in den Papierkorb. Ihrem scharfen Juristenblick wäre aufgefallen, wie oft Noras Name vorkam, und sie wäre vielleicht neugierig geworden.
    Als sein Koffer gepackt war, sah er sich noch einmal im Zimmer um und vergewisserte sich, daß er nichts liegengelassen hatte. Er trat in den Flur hinaus, ließ die schwere Tür hinter sich zufallen und einschnappen.
    Er ging zum Vestibül hinunter, aber am Fuß der Treppe angelangt, machte er noch einen kurzen Abstecher in die Bibliothek. Noch einmal schaute er hinaus in die Landschaft (die, jetzt vertraut, einen Teil ihres Reizes verloren hatte), musterte die High-Tech-Espressomaschine, die gerahmte Fotografie des Hauses, wie es vor Jahren gewesen war. Noch einmal betrachtete er die Rennbahn, den verwischten Schatten des Zugs in der Ferne. Das Haus hatte schon gestanden, als es noch keine Nora und keinen Carl Laski, keinen Harrison Branch und kein Gespenst eines Stephen Otis gegeben hatte. Wie viele andere Geschichten, dachte Harrison, mochte ein so altes Haus bergen.
    Er ging ins Vestibül, aber es war niemand an der Rezeption. Er wartete eine Weile, dann legte er den schweren goldenen Schlüssel auf die Löschunterlage. Er hatte schon einen Scheck unterschrieben, und man würde ihm die Abrechnung schicken. Seltsam würde es sein, dieses Stück Papier in Toronto zu erhalten. Auf dem Küchentisch zu Hause würde ein Briefumschlag von Noras Gasthof liegen. Ein schmerzhaftes Eindringen der einen Welt in die andere. Würde Harrison ihn öffnen können, oder würde er ihn einfach unter seine Rechnungen schieben, um ihn später anzusehen?
    Diese Rechnung würde ihm Schmerz bereiten, so wie eine flüchtige Erinnerung an Stephen ihn jeden Moment anfliegen und schmerzen konnte.
    Harrison schwang seine Tasche über die Schulter und trat ins Sonnenlicht hinaus.
    Das Pflaster war naß. Sogar der schmiedeeiserne Zaun glänzte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher