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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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funktioniert das«, sagte Konstantinos zu dem Schneider. »Wenn Gott will, sind wir morgen zurück und schaffen die Ballen wieder fort.« Und zu Tasos gewandt, fügte er hinzu: »Siehst du im Verkaufsraum nach dem Rechten und gibst mir Bescheid?«
    Tasos nickte.
    Â»Ich finde, wir sollten jetzt gehen«, drängte Leonidas, fassungslos über die Sorglosigkeit seines Bruders. »Möchtest du denn nicht endlich los und Olga beruhigen?«
    Â»Ich bin sicher, es geht ihr gut. Sie hat Pavlina bei sich. Und Babys schlafen nach der Geburt doch eine Weile?«
    Â»Damit kenne ich mich nicht aus«, antwortete Leonidas ungehalten. »Aber ich bin mir sicher, dass inzwischen jeder etwas von dem Feuer mitbekommen hat.«
    Sie machten sich auf in Richtung Hafen und gingen an der Uferpromenade entlang. Alles sah aus wie immer, die eleganten Villen auf der Esplanade und die Kriegsschiffe in der Bucht, die sich geräuschlos gegenseitig belauerten.
    Ein stechender Geruch erfüllte die Atmosphäre, aber jetzt, nach Sonnenuntergang, stieg die rußgeschwängerte Luft in den Nachthimmel auf. Seltsamerweise servierte ein Hotel seinen Gästen ungeniert Abendessen, und in den Bars nahmen Leute ihre Drinks ein. Thessaloniki schien aus zwei Welten zu bestehen, die nichts miteinander zu tun hatten. Die Menschen südlich der Egnatiastraße wussten zwar von dem Feuer, fühlten sich aber völlig sicher. Sie konnten nichts tun, um zu helfen, und hielten es für ihre vornehmste Pflicht, Ruhe zu bewahren.
    Tasos befand sich gerade auf dem Weg nach Norden. Als er den starken Geruch nach geröstetem Lamm bemerkte, nahm er an, dass der Fleischmarkt ein Opfer der Flammen geworden war, und der Anblick von ein paar wild gewordenen Schafen, die durch die Straßen jagten, bestätigte seine Vermutung.
    Tiere frei durch die Straßen rennen zu sehen war seltsam genug, aber dann sah er plötzlich einen riesigen Vogel auf sich zufliegen. Als der nur ein paar Zentimeter vor ihm landete, erkannte er, dass es in Wirklichkeit ein Stuhl war. Die Straßen waren mit zurückgelassenen Habseligkeiten übersät, und auch jetzt noch warfen Flüchtende Gegenstände aus den Fenstern: Nähmaschinen, Tische, Kommoden … Die Leute hatten sich damit abgefunden, dass sie nie mehr in ihre Häuser zurückkehren würden, und Verzweiflung breitete sich aus.
    Mit dem blinden Gehorsam eines Mannes, der mehr als ein halbes Jahrhundert seinen Lebensunterhalt bei Komninos’ Familie verdient hatte, war Tasos entschlossen, die Bitte seines Chefs zu erfüllen, und erreichte schließlich das Ende der langen Straße, wo das Geschäft lag. Er sah die Flammen durch ein oberes Fenster schlagen, aber die Front des Gebäudes war immer noch intakt.
    Es dauert nicht lange, dachte er, ich lauf bloß rein und schnapp mir das Bestellbuch.
    Er wusste, dass sich Konstantinos Komninos darum besonders sorgen würde, und steckte den Schlüssel ins Schloss.
    Wie ein hungriges Ungeheuer hatte das Feuer die Ballen aus Tüll und Taft verschlungen, bevor es sich für einen üppigen Hauptgang aus Wolle und schwerem Leinen Zeit nahm. Ballen um Ballen wurde in Asche verwandelt. Wie Zunder brannten sie ab, und jeder von ihnen entzündete den danebenliegenden.
    Beobachter sahen, wie durch die große Hitze plötzlich die Fenster nach draußen gesprengt wurden. Wäre Sprengstoff im Gebäude gelagert worden, hätte es keine heftigere Explosion geben können. Glasscherben wurden durch die Luft geschleudert und fielen als tödlicher Splitterregen herab. Das Gebäude mitsamt seinem Inhalt wurde restlos zerstört.
    Zur gleichen Zeit, als Tasos in dem Inferno sein Leben verlor, hatten die Brüder beinahe die Nikistraße erreicht.
    Sie waren nur noch ein paar Häuser von ihrem Ziel entfernt, als Konstantinos einen Blick in eine der dunklen Seitenstraßen warf und einen Lichtschein bemerkte. Zu seinem Entsetzen erkannte er, dass etwas geschehen war, was nie mand für möglich gehalten hatte. Das Feuer hatte die Egnatia straße übersprungen. Jetzt war alles anders.
    Der Wind hatte gedreht und trieb das Feuer südwärts in Richtung des Teils der Stadt, wo die Geschäftshäuser und vornehmen Villen von Thessaloniki standen. Niemand konnte es aufhalten. Nicht nur sein Wohnhaus war bedroht, sondern, viel schlimmer noch, sein Lagerhaus, das größte Stofflager in
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