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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Andreas Gesicht, ein wenig eingerostet, aber zustimmend und heiter. Er sah mich an, während er seinem Cello schmerzliche, erhabene, verschlungene Klänge entlockte.
    Die Familie hatte sich im Haus verstreut. Es bot für jeden genug Freiraum und ließ Meinungsverschiedenheiten gar nicht erst aufkommen. Alle waren entschlossen, gefährliche Zusammenstöße zu vermeiden. Ich selbst habe Vorsicht walten lassen und jedem sein Lieblingszimmer gegeben. Meine Kinder haben ihre Kinderzimmer, in denen jetzt zwei weiß gestrichene schmiedeeiserne Ehebetten stehen, die ich bei Pocquelin gekauft habe. Wie leblose Gespenster haben ihre Spielzeuge dort überlebt, die Puppen und Teddybären von Carolina und die Rollerblades, das Fahrrad und die außerirdischen Monster von Mattia - Symbole ihres ersten geborgenen Lebensabschnitts in der Provence. Marco und seiner neuen Lebensgefährtin habe ich ein schönes Kaminzimmer gegeben, während Gabriella sich in meinem Arbeitszimmer eingerichtet hat. Das war ein schönes Refugium für unsere nächtlichen Vertraulichkeiten. Sie hatte mich nur unten an der Haustür in den Arm nehmen müssen, um mir meine innere Unruhe anzumerken. Fragen hat sie nicht gestellt. Sie
wusste, dass wir uns nach dem Essen, wenn sich über den Speisen auch noch die letzte Fremdheit in Luft aufgelöst hätte, unauffällig ins Arbeitszimmer zurückziehen würden. Ihr Gesicht strahlte Ruhe und Zuf riedenheit aus, und sie vermochte meine Gefühlsausbrüche mit mütterlichem Instinkt zu zähmen. Sie trug einen schlichten cremefarbenen Hosenanzug, der einen immer noch drahtigen Körper umschmeichelte.
    Die Kostüme - zusammengestückelt aus alten Kleidern, die man daheim bei Eltern und Freunden aufgetrieben hatte - lagen in Umzugskartons verborgen. Mattia mahnte zur Ruhe, blieb aber ungehört. Das Wohnzimmer sah aus wie ein Piratenschiff, das von der Mannschaft verlassen war. Möbel und Zeug standen in einer Ecke und ließen Platz für eine improvisierte Bühne entstehen. Kulissen waren nicht vorgesehen. Die Kinder hatten die Schönheit des »Armen Theaters« entdeckt, das die Fantasie der Zuschauer fordert. Die Einladungskarten drangen auf Pünktlichkeit.
    Ich konnte mich nicht erinnern, je einen so aufregenden Geburtstag erlebt zu haben. Der Gedanke an die Aufführung lenkte mich von Lucrezia ab, während vor meinen Augen in einer nie ganz scharfen Einstellung die Mitglieder meiner Familie herumliefen. Um diese Familie zu erzeugen, war ich einem unsichtbaren Faden gefolgt, und den hatte ich, nachdem das Leben ihn mir so oft zerrissen hat, mit pingeliger Präzision wieder zusammenknoten müssen. Dieses Mal hatte ich es geschafft, sie alle hierher zu locken. Nur noch der Abschluss fehlte. In Erwartung eines friedlichen
Todes. Bei meiner letzten Italienreise hatte es der Onkologe noch einmal bestätigt: »Es könnte noch jahrelang so bleiben, Signora. Das ist eine Form von Tumor, von der weltweit nur wenige Fälle bekannt sind. Er hat sich auf der Höhe des Brustbeins gebildet, an einer ›leeren‹ Stelle des Körpers. Das Alter kommt Ihnen zu Hilfe. Die Zellen wachsen nur noch sehr langsam.«
    Andrea, Lucrezia: meine Geheimnisse. Auch das dritte hätte ich ihnen vorenthalten. Zumindest bis es nötig geworden wäre, irgendwelche Erklärungen abzugeben. Gekleidet wie eine echte Großmutter aus einer anderen Zeit - schwarzer Chenillerock, weiße Bluse, Fransenstola, Schuhe mit provenzalischer Spitze, schwarz, mittlerer Absatz, alte Ohrringe -, zog ich feierlich in den Raum ein, der vorübergehend zum Theater umfunktioniert worden war. Am liebsten hätte ich sie alle umarmt und um Verzeihung gebeten. Ein Applaus lenkte mich ab. Gabriella saß neben mir in einem bequemen Sessel. Unsere Freundschaft überstrahlte jede Verwandtschaftsbeziehung, und man hatte uns den Ehrenplatz zugewiesen. Marco saß hinten im Raum, zusammen mit seiner wenig gelittenen Freundin. Neben ihm saß - vielleicht um die soundsovielte Eskapade seines Vaters zu verhindern - unser Sohn Mattia, ein zerstreuter, verschlossener junger Mann. Seine Frau Carlotta befand sich an seiner Seite. Schon seit Studienzeiten verband sie eine unerschütterliche Liebe, die ich nie ganz verstanden habe. Beide waren sie Astrophysiker, und ihre Welt flößte mir in ihrer Andersartigkeit regelrecht Respekt ein. Carolina und ihr Mann Giovanni,
ein sanfter, ernster Mann mit einer hohen, intelligenten Stirn, hatten es sich in zwei Sesseln aus meinem Arbeitszimmer bequem gemacht.
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