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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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plötzlich stand sie in der Tür, in einen blauen Bademantel gehüllt, der bis zur halben Wade reichte.
    » Jessas !« sagte sie ein wenig kurzatmig, »Sie sind’s, Herr Gisevius...!« und ließ einen ziemlich wuchtigen Hammer, den sie in der Hand hielt, hinterm Rücken verschwinden.
    »Hallo, Christine«, grinste er, »wollen Sie mir mit dem Ding eins über den Schädel hauen?«
    »Ihnen natürlich nicht, aber ich dachte, es wären vielleicht Einbrecher im Hause. In der Nachbarschaft sind in letzter Zeit einige Keller ausgeräumt worden...«
    »Respekt! Sie haben aber Mut...!«
    »Ach wo«, sagte sie, und ihre Lippen zitterten tatsächlich ein wenig, »mir ist ganz schwach in den Knien...«
    »Dagegen muß man etwas unternehmen«, meinte er und hob die Flasche empor, »legen Sie den Hammer weg und holen Sie sich ein Glas.«
    »Aber, Herr Gisevius, was würde Frau Dyrenhoff dazu sagen, wenn sie sehen würde, daß ich hier mitten in der Nacht mit Ihnen Schnaps trinke?« Es klang nicht so, als ob sie prinzipiell dagegen sei, etwas gegen die Schwäche in den Beinen zu tun.
    Er ging an den Schrank, nahm ein Glas heraus und goß ihr bis zu der imaginären Marke >For Gentleman< ein: »Nun zieren Sie sich nicht lange, sondern kippen Sie ihn ‘runter. Mir selber schmeckt es in Gesellschaft auch besser...«
    »Nicht so laut, Herr Gisevius«, warnte sie und deutete gegen die Decke, »oben ist das Schlafzimmer!«
    »Also Prösterchen!« flüsterte er ihr zu.
    Sie setzte das Glas an und kippte es munter in die Kehle. Wenn er einen kleinen Erstickungsanfall erwartet hatte, so wurde er enttäuscht. Sie schüttelte sich nur.
    »Das also ist Whisky«, sagte sie. »Und ich habe mir wunder* was eingebildet, wie gut Whisky schmecken müßte. Das ist ja ein scheußliches Zeug!«
    »Mit der Zeit gewöhnt man sich auch an Scheußlichkeiten.«
    »Daran? Nie im Leben!«
    »Hoffentlich nicht!« grinste er sie an.
    »Wenn die Bäume gut tragen, läßt Vater daheim einen Zwetschgenschnaps brennen. Der ist auch scharf wie Feuer. Aber er schmeckt doch sauber nach der Frucht.«
    »Sie scheinen ja einen ganzen Stiefel zu vertragen, wie?« meinte er belustigt.
    »Mein Vater sagt, ein Mädchen, das allein auf den Tanzboden geht, müsse schon etwas vertragen können.«
    »Ihr Vater ist ein sehr kluger Mann. Ich werde mir sein Rezept merken, falls ich einmal Töchter haben sollte. — Was ist Ihr Vater eigentlich von Beruf, Christine?«
    »Er ist Meister in einer Glasfabrik. Bei uns daheim arbeitet fast ‘ das ganze Dorf in den Glasfabriken.«
    »Wo sind Sie daheim, Christine?«
    »Es heißt Engling im Wald und liegt schon fast an der Grenze. Es ist ein ganz kleines Dorf, es hat nicht einmal eine eigene Pfarrei. Sonntags kommt der Benefiziat von Lambach auf seinem Motorrad zur Messe herüber.«
    »Und wo sind Sie zur Schule gegangen?«
    »Zuerst in Engling . Später habe ich dann die Mittelschule in Straubing absolviert. Eine Schwester meiner Mutter ist in Straubing mit einem Spenglermeister verheiratet. Bei denen habe ich vier Jahre lang gelebt, und sie wollen mich auch wieder auf nehmen, wenn ich nach dem Haushaltjahr die Fachschule besuchen muß.«
    »Haben Sie Geschwister?«
    »Ja, zwei verheiratete Schwestern und zwei Brüder. Beide sind Meister. Der eine arbeitet daheim in einer Glasfabrik, und der andere ist seit einem guten Jahr in Schweden, um sich weiterzubilden...«
    »Schau an!« sagte er respektvoll, »tüchtige Burschen!«
    »Ja, das sind sie beide.«
    Ihre zutrauliche Gesprächigkeit erheiterte ihn. Aber ihn erheiterte auch der Gedanke, was Gerda wohl dazu sagen würde, wenn sie ihn hier in der Küche mit Christine anträfe. Die Reaktion seines Schwagers Lothar war leicht vorauszusagen. Das bekannte Zitat von Wilhelm Busch über die Jünglinge und ihren Hang zum Küchenpersonal, oder eine Treppe höher hinauf zu Goethe, >die Hand, die samstags ihren Besen führt...<
    Er hob verführerisch die Flasche: »Na, wie steht’s, Christine, genehmigen wir uns noch einen?«
    »Danke, Herr Gisevius, mir langt’s . Und überhaupt wird es für mich höchste Zeit...«
    »Gute Nacht, Christine. Es war nett von Ihnen, daß Sie mir ein Weilchen Gesellschaft geleistet haben. Wenn Sie auch eigentlich mit der Absicht herunterkamen, mich mit dem Hammer totzuschlagen.«
    Er blinzelte ihr zu und blieb allein in der Küche zurück. Im Eisschrank fand er ein Stück Schinken und eine halbe Salami, von denen er sich ein paar Scheiben abschnitt, um sich nach
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