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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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davon erfahren würde. Als Petra mir erzählt hat, wie dein Auto in Flammen aufgegangen ist, da war ich …«
    Ohne ihn anzusehen, hob ich meinen Geldbeutel und meine Kuriertasche auf und klopfte mir den Staub von den Kleidern. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich schrecklich verstrubbelt aussah. Egal.
    Seine warme Hand berührte mich am Oberarm, hielt mich sanft zurück. »Clio.«
    »Fass mich nicht an.«
    Sofort ließ er mich los und wandte mich ab. Bis zur Canal Street würde es ein langer, nasser Spaziergang werden.
    Ich war schon bei der Eingangstür, als ich draußen jemanden laut reden hörte. Plötzlich flog die Tür auf und Luc stand direkt vor mir.
    »Wo ist er?«, fragte Luc mit kaltem, versteinertem Blick.
    »Luc, jetzt komm schon «, sagte Thais, die ich direkt hinter ihm entdeckte.
    »Was ist hier los?«, fragte ich, während sich Luc an mir vorbeidrängte.
    »Du Bastard!«, schrie Luc und stürzte sich auf Richard, der schon völlig abgekämpft und erschöpft aussah. Er stieß Richard mit aller Kraft gegen die Schultern und schubste ihn gegen die Wand – ich hörte, wie Richards Kopf dagegenknallte, sah ihn zusammenzucken.
    Doch ich sah nicht, dass er sich gewehrt hätte.
    »Was hast du dir dabei gedacht?«, brüllte Luc. »Was hast du getan? Hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Ausgerechnet Clio und Thais!« Wieder versetzte er ihm einen unsanften Stoß. Richard schwankte, doch er fiel nicht.
    »Thais, stell dich hinten an«, rief Richard über Lucs Schulter. »Zuerst Petra, dann Clio, jetzt Luc … dann bist du an der Reihe. Und ich schätze, Ouida und Sophie und alle, denen das hier nicht ganz am Arsch vorbeigeht, werden auch bald hier sein.«
    »Wie konntest du das tun?«, schrie Luc wieder. »Wie konntest du versuchen, sie umzubringen ? Bist du ein Mörder ? Wie um alles in der Welt kannst du den Gedanken ertragen, ihnen wehzutun?«
    Richard runzelte die Stirn und richtete sich auf. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Sag du es mir.«
    Luc wurde rot, seine Hände ballten sich zu Fäusten.
    »Ich meine, wie um alles in der Welt konnte ich etwas so Schwachsinniges, etwas so Dummes machen, wie den Zwillingen Leid anzutun, als ich sie noch gar nicht kannte?« Seine Stimme klang höhnisch.
    »Halt die Klappe! Ich habe nie versucht, sie zu töten .«
    »Nein. Aber ich frage mich, wer sie wohl mehr verletzt hat.«
    Da standen sie nun und starrten einander an: angespannt und bereit zum Angriff.
    Ich blickte zu Thais, der einzigen Person, über deren Anwesenheit in diesem ganzen Chaos ich froh war. Ich würde später darüber nachdenken, was sie mit Luc zu schaffen gehabt hatte. Für den Moment war sie einfach nur meine Schwester und die einzige Person hier, die ich nicht zu Hackfleisch verarbeiten wollte.
    »Also ich für meinen Teil habe von beiden die Nase voll«, sagte ich. »Lass uns abhauen.«
    »Oh Gott, ja«, erwiderte Thais und hielt mir die Tür auf.
    Und schon standen wir draußen im Regen und machten uns auf den Weg zur Canal Street. Der Regen war angenehm, und ich wusste, dass ich nicht mehr schlimmer aussehen konnte, als ich es sowieso schon tat.
    »Und?«, sagte Thais nach ein paar Blocks. »Du hast Richard also so richtig fertiggemacht?«
    »Ja. War ziemlich übel.« Ich verlagerte meine Tasche auf die andere Schulter. »Was hattest du mit Luc zu schaffen?«
    »Ich war bei Axelle, um ein paar Antworten aus ihr herauszuquetschen.« Thais klang ungefähr so sauer und müde, wie ich mich fühlte. »Luc war auch da, und als ich gegangen bin, ist er mir gefolgt. Und dann wären wir beinahe erschlagen worden.«
    »Was?«
    Sie erzählte mir von dem riesigen, schweren Blumenkübel, der sie nur um ein Haar verfehlt hatte. Die lange Schürfwunde auf ihrem Arm war rot und sah aus, als würde sie ziemlich wehtun.
    »Ein weiterer Angriff oder nur Zufall?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass es so etwas wie Zufälle nicht gab.
    »Keine Ahnung«, antwortete Thais. »Der Balkon sah total verrostet aus, als hätte so etwas schon die ganze Zeit passieren können. Wie auch immer, ich war total erschrocken und habe irgendwas gesagt von wegen‚ dass es dieses Mal nicht Richard war. Und dann ist Luc auch schon losgerannt.«
    »Na, vielleicht murksen sie sich gegenseitig ab«, sagte ich hoffnungsvoll.
    Thais sah mich an. Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass es okay war, wenn ich auch lächelte. Wir grinsten uns an. Schwestern.

Kapitel 31
    Heute
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