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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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nach einem Sitzplatz um. Schließlich ließ ich mich einfach im Gras nieder, strich meine Röcke glatt und machte einen Buckel, um meine Bauchmuskeln zu entspannen. »Sie sagte, es ginge darum, dem Dorf ein paradiesisches Leben zu verschaffen«, erwiderte ich. »Ein langes Leben für alle. Ich wollte eigentlich nicht kommen, aber sie meinte, ich sei ihr Glücksbringer.«
    Richard setzte sich neben mich. Versehentlich streifte sein Knie das meine, und ich fühlte, wie mir ein wohliger Schauer den Rücken hinunterlief. Mein Kopf füllte sich mit überaus angenehmen Erinnerungen an Richard. Ich wand mich ein wenig und lächelte ihm zu. Sein Gesicht trug jenen unbeweglichen, wachsamen Ausdruck, der ankündigte, dass ich mich gleich wieder sehr gut fühlen würde.
    Doch dann wandte er sich ab, die Kiefer zusammengepresst, und ich seufzte. Er war noch immer wütend wegen Marcel. So wie Marcel noch immer sehr wütend auf ihn war. Manchmal ermüdeten mich die beiden. Weshalb war es ein solches Problem, dass ich sie beide begehrte? Warum sollte ich gezwungen sein zu wählen? Mich würde es nicht kümmern, wenn sie noch einem anderen Mädchen aus dem Dorf den Hof macht.
    Ich fächelte mir mit dem Strohhut Luft zu und sah, wie die anderen langsam eintrudelten. M. Daedalus, der Chef unseres Dorfes, war da, und auch sein Freund Jules, der inzwischen seit zehn Jahren hier bei uns lebte. Ich erinnerte mich, dass ich gehört hatte, M. Daedalus sei gerade erst von einem Besuch bei seinem Bruder in New Orleans zurückgekehrt. Ich fragte mich, ob er irgendwelche Stoffe für den Laden der Chevets mitgebracht hatte. Ich würde morgen nachsehen.
    Melitas beste Freundin Axelle traf ein. Sogar in ihren ausladenden Röcken und mit dem Sonnenhut wirkte sie noch schlank und wendig wie eine Schlange. Lächelnd winkte ich ihr zu. Sie winkte zurück.
    »Guten Tag«, sagte eine Stimme. Ich wandte mich um und sah Claire Londine durch den Geißblattstrauch treten. Sie kam auf mich zu und setzte sich zu mir.
    »Du bist ja breiter als hoch«, meinte sie kopfschüttelnd. »Wie fühlst du dich?«
    »Überwiegend gut«, antwortete ich.
    »Was ich nicht verstehe, ist, weshalb …«, begann sie, als sie Richard erblickte und innehielt.
    »Ich muss mit Daedalus sprechen«, sagte Richard abrupt und entfernte sich.
    Claire lachte. »Er hat gleich gemerkt, dass wir Frauensachen ansteuern würden. Ich wollte fragen: Warum hast du zugelassen, dass das passiert? Es ist so einfach, es zu verhindern. Oder es abzubrechen, wenn es doch dazu gekommen ist.«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich habe halt gedacht, dass ich gerne ein Baby hätte. Ich werde sie Hélène nennen.«
    »Aber Babys machen so viel Arbeit«, meinte Claire. »Sie schreien die ganze Zeit. Und du wirst sie nie mehr los.«
    »Maman und Melita werden mir helfen. Außerdem mag ich Babys.«
    »Na, das hoffe ich doch«, sagte Claire, während sie ihre Beine in der Sonne ausstreckte. Ihre bloßen Füße und gut fünfzehn Zentimeter Bein schauten unter dem Rocksaum hervor, doch Claire hatte sich schon immer skandalös aufgeführt. Dabei war sie jedoch immer nett zu mir gewesen, außerdem waren wir zusammen zur Schule gegangen.
    »Alle mal herhören!«, rief meine Schwester. »Es wird Zeit. Machen wir einen Kreis.« Ich erhob mich schwerfällig und hielt mir mit einer Hand den Bauch. Die Sonne ging schon fast unter, da verschwand plötzlich das Licht, als würde eine Kerzenflamme erlöschen. Ich blickte hinauf und sah riesige pflaumenfarbene Wolken, die von Süden heranzogen.
    »Es wird einen Sturm geben«, murmelte ich zu Maman gewandt. »Vielleicht sollten wir das ein anderes Mal machen.«
    Melita hatte mich gehört. »Nein«, sagte sie. »Ich kann den Zauber nur heute Nacht anwenden. Alles ist perfekt: der Mond, die Jahreszeit, die Teilnehmer. Ich bin sicher, der Sturm wird uns nicht weiter stören.«
    Schnell zeichnete sie einen großen Kreis in den Boden, der beinahe über die ganze Lichtung reichte. Dann zündete sie dreizehn Kerzen an – für jeden von uns eine. Der Wind wurde ein wenig stärker. Ein seltsam kühler, feuchter Wind. Doch obwohl die Flammen nach links und rechts flackerten, erloschen die Kerzen nicht.
    Melita zeichnete die Borche -Rune in die Luft, für Neuanfang und Geburt. Ich runzelte leicht die Stirn und hielt mir den Bauch. Bestand wirklich kein Risiko für mich? Ich warf Maman einen Blick zu. Sie beobachtete Melita ernst. Maman würde dem Ganzen Einhalt gebieten oder mich
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