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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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geschrieben. Sollte meine Nervenkrankheit Dich in Deiner Arbeit gestört haben, so verzeih, Liebster. Ich habe gestern mit der Behandlung der Krankheit begonnen. [...] Ich werde die Anweisungen genau befolgen, um so mehr, als ich in furchtbare Seelenverfassung geriet, nachdem Du mich verlassen hast – vermutlich wurdest Du bereits der Berichte gewahr, daß ich, als Sascha mir mitteilte, Du seiest für immer fortgegangen, hinunterlief zum mittleren Teich und mich rücklings ins Wasser stürzte, damit niemand mich retten könne. [...] Doch es gefiel Gott nicht, daß wir beide eine solche Sünde auf uns laden, und Sascha und Bulgakow 110 warfen sich angekleidet in den Teich, zogen mich mit Hilfe Wanjas und des Kochs aus dem Wasser und trugen mich nach Hause.
    [...] Alle unsere Kinder sind zusammengekommen. Sie haben Mitleid mit mir und trösten und umsorgen mich, ich bin ihnen so dankbar dafür. [...] Ljowotschka, bist Du wirklich auf immer von uns gegangen? Du hast mich doch einmal geliebt? [...] Kehre zurück, mein lieber, teurer Ehemann. Kehre zurück,Ljowotschka, mein Liebster. Sei nicht erbarmungslos, erlaube mir wenigstens, Dich zu sehen, sobald ich mich durch die Behandlung etwas besser fühle.
    Peinige mich nicht, indem Du mir, gerade mir, verschweigst, wo Du Dich aufhältst. Du sagst, meine Anwesenheit störe Dich bei der Arbeit. Kannst Du denn arbeiten, wenn Du weißt, wie sehr ich leide?
    Auch im Evangelium steht geschrieben: »Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.« Und nirgends steht geschrieben, man möge irgendwelche Schriften mehr lieben als einen Menschen. [...] Ljowotschka, verzeihe mir, kehre zurück zu mir, errette mich! Glaube nicht, all dies seien nur Worte, liebe mich, stimme Deine Seele gnädig, achte nicht darauf, was man über Dich sagen oder schreiben wird – stehe darüber – denn es ist doch nichts Höheres auf der Welt als die Liebe – und wir werden in Eintracht und Liebe unser Leben bis zu unserem Ende zusammenverbringen! Wie oft hast Du Deine Absicht, fortzugehen, bezwungen, wie oft bist Du aus Liebe zu mir bei mir geblieben, und wir lebten friedlich und einträchtig unser Leben. Sollte denn meine Schuld derart groß sein, daß Du mir nicht verzeihen und nicht zu mir zurückkehren kannst? Und selbst wenn: Ich war doch krank!
    [...] Lies diesen Brief aufmerksam; ein weiteres Mal werde ich nicht über meine Gefühle schreiben. Ein letztes Mal flehe ich Dich an: mein Mann, mein Freund, mein lieber, geliebter Ljowotschka verzeihe mir, errette mich, kehre zu mir zurück.
    Deine Sonja.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [30.-31. Oktober 1910]
    [Schamordino]
    Ein Wiedersehen, geschweige denn meine Rückkehr wäre jetzt ganz unmöglich. Für Dich wäre dies, wie alle meinen, im höchstenGrade schädlich, für mich furchtbar, denn mein Befinden würde infolge Deiner Aufgeregtheit, Gereiztheit, Deines krankhaften Zustands, jetzt, sofern das überhaupt noch möglich ist, noch schlechter werden. Ich rate Dir, Dich mit dem, was geschehen ist, abzufinden, Dich in Deine neue Lage zu schicken und vor allem, Dich ärztlich behandeln zu lassen.
    Wenn Du mich auch nicht liebst, sondern mich zumindest nicht haßtest, mußt Du Dich ein wenig in meine Lage versetzen. Und wenn Du dies tust, so wirst Du mich nicht verurteilen, sondern Dich bemühen mir zu helfen, die Ruhe und die Möglichkeit eines menschlichen Lebens zu finden, mir durch Bezwingung des eigenen Ich zu helfen und Dir nicht meine jetzige Rückkehr wünschen. Deine jetzige Stimmung, Deine Wünsche und Deine Selbstmordversuche zeigen, mehr als alles andere, daß Du jede Gewalt über Dich verloren hast und machen mir eine Rückkehr undenkbar. Niemand außer Dir selbst vermag alle Dir nahestehenden Menschen, mich und vor allem Dich selbst von Deinem Leiden zu befreien. Bemühe Dich, all Deine Kraft nicht darauf zu lenken, damit sich das, was Du wünschst – derzeitig, daß ich zurückkehre –, erfüllt, sondern darauf, Dich abzufinden, und was Du wünschst, wird sich erfüllen.
    Ich habe zwei Tage in Schamardino verbracht und reise jetzt weiter. Meinen Brief schicke ich Dir von unterwegs. Ich teile Dir nicht mit, wohin ich fahre, da ich die Trennung, sowohl für Dich, als auch für mich für notwendig erachte. Glaube nicht, ich sei fortgefahren, weil ich Dich nicht liebe. Ich liebe Dich und bemitleide Dich von ganzem Herzen, ich kann aber nicht anders handeln, als ich es tue. [...] Zu Dir zurückzukehren, solange Du
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