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Eine betoerende Schoenheit

Eine betoerende Schoenheit

Titel: Eine betoerende Schoenheit
Autoren: Sherry Thomas
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Meerestieren ernährt hatte. Tintenfische, vielleicht, die es in den Meeren des Trias im Überfluss gegeben hatte. Sie begutachtete die winzigen Knochen der Flossen, die wie Maiskörner an ihrem Kolben aneinander passten. Sie zählte seine vielen Rippenknochen, gebogen, lang und dünn wie die Zacken eines Kammes.
    Nachdem dem Anschein wissenschaftlicher Genauigkeit genüge getan war, erlaubte sie sich, zurückzutreten und die Länge der Kreatur auf sich wirken zu lassen. Dreieinhalb Meter vom einen zum anderen Ende, obwohl der Großteil des Schwanzes fehlte. Ehrlich gesagt, beeindruckte sie die Größe der prähistorischen Tiere immer am meisten.
    „Ich sagte doch, dass sie hier ist“, vernahm sie eine bekannte Stimme – die ihrer jüngeren Schwester Helena.
    „Und wie recht du hast“, sagte Millie, die Frau ihres Bruders Fitz.
    Venetia drehte sich um. Helena war ohne Schuhe einen Meter achtzig groß. Als ob sie damit nicht schon genug Aufmerksamkeit erregen würde, besaß sie zudem rotes Haar, und zwar das schönste und prächtigste seit Königin Elisabeth I., ergänzt durch malachitgrüne Augen. Millie konnte mit ihrem einen Meter sechzig, den braunen Augen und braunen Haaren in einer Menschenmenge leicht übersehen werden – obgleich dies ein Fehler gewesen wäre, denn Millie war eine zarte Schönheit und viel tiefgründiger, als sie auf den ersten Blick erkennen ließ.
    Venetia lächelte. „Hat euch die Befragung der Eltern weitergebracht, meine Lieben?“
    „Ein wenig“, antwortete Helena.
    Die zukünftigen Absolventinnen von Radcliffe, einem College für Frauen, das zu Harvard gehörte, würden die ersten sein, deren Abschlusszeugnisse die Unterschrift des Präsidenten trugen – ein Privileg, das ihren englischen Kommilitoninnen am Lady Margaret Hall und am Girton rundheraus verwehrt blieb. Helena war hier, um für das Queen Magazin über die jungen Damen und diesen denkwürdigen historischen Moment zu schreiben. Venetia und Millie begleiteten sie auf ihrer Reise als Anstandsdamen.
    Oberflächlich betrachtet schien Helena, eine erfolgreiche junge Frau, die am Lady Margaret Hall studiert hatte und gegenwärtig einen kleinen, aber erfolgreichen Verlag besaß, die perfekte Autorin für einen derartigen Artikel. In Wirklichkeit hatte sie sich jedoch vehement gegen den Auftrag gewehrt.
    Doch ihre Familie hatte Grund zu der Annahme, dass die unverheiratete Helena sich auf eine Affäre eingelassen hatte, die sie in den Ruin treiben konnte. Es war eine äußerst verzwickte Situation. Helena war mit ihren siebenundzwanzig Jahren nicht nur schon längst mündig, sie hatte auch ihr Erbe bereits angetreten – war also in einem Alter und finanziell in einer Lage, in der man sie nicht zwingen konnte, sich schicklicher zu benehmen.
    Venetia, Fitz und Millie hatten sich den Kopf darüber zerbrochen, was sie tun konnten, um die geliebte Schwester zu schützen. Letzten Endes hatten sie den Entschluss gefasst, Helena außer Reichweite der Versuchung zu bringen, ohne je ihre wahren Gründe dafür zu nennen. Sie hatten die Hoffnung, dass sie zur Besinnung kommen würde, sobald sie ein wenig Zeit und den Abstand hatte, über ihre Entscheidung nachzudenken.
    Venetia hatte den Herausgeber des Magazins Queen praktischbestochen, damit er Helena den Auftrag in Amerika anbot, und hatte sich dann daran gemacht, deren Widerstand dagegen zu untergraben, England zu verlassen. Sie waren zu Beginn des Frühlingssemesters im Bundesstaat Massachusetts eingetroffen. Seitdem hatten Venetia und Millie dafür gesorgt, dass Helena mit einer steten Abfolge von Interviews, Unterrichtsbesuchen und Lehrplanstudien mehr als genug zu tun hatte.
    Allerdings würden sie Helena nicht viel länger auf dieser Seite des Atlantiks halten können. Statt ihn zu vergessen, schien sich Helena unter der erzwungenen Trennung nur noch heftiger nach demjenigen zu sehnen, den sie zurückgelassen hatte.
    Wie zu erwarten, setzte Helena erneut zu Protest an. „Millie hat mir erzählt, dass du noch weitere Interviews arrangiert hast. Ich habe doch gewiss inzwischen genug Material für einen Artikel gesammelt. Noch mehr und ich kann ein ganzes Buch über das Thema schreiben.“
    Venetia und Millie wechselten einen Blick.
    „Es ist vielleicht gar keine schlechte Idee, genug Material für eine längere Abhandlung zu haben. Du kannst sie selbst veröffentlichen“, sagte Millie auf ihre ruhige, einfühlsame Art.
    „Das stimmt. Aber so vortrefflich ich die Damen des
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