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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
Autoren: Simona Ahrnstedt
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Blick zu, und sie kam wieder zu sich. Zu spät, sich noch rechtzeitig abwenden zu können. So ertappte er Beatrice, wie sie mit offenem Mund dastand und das Paar angaffte. Der Mann verzog den Mund, hob eine Augenbraue, und Beatrice schämte sich, weil ihr klar war, dass er sehr wohl wusste, wohin sie gestarrt hatte. Verlegen machte sie den Mund zu, doch der Mann hatte sich schon wieder abgewandt. Er sagte etwas zu der Frau in dem ausgeschnittenen Kleid, und sie lachte laut auf. Beatrice merkte, dass sie den Atem angehalten hatte, und atmete aus. Gleichzeitig versuchte sie sich einzureden, dass das elegante Paar bestimmt nicht über sie gelacht hatte. Verlegen hastete sie Sofia und Edvard nach.

    Die Familie Löwenström hatte Plätze in der ersten Reihe, rechts von der königlichen Loge. Rundherum wurde laut geplaudert und gelacht. Die meisten gingen nur in die Oper, um zu sehen und gesehen zu werden, doch Beatrice wartete ungeduldig auf den Beginn der Aufführung. Als der Vorhang sich hob, biss sie sich aufgeregt auf die Lippen. Mit dem Einsetzen der Musik verschwand sie in einer anderen Welt, einer Welt unter ägyptischer Sonne, die von Sklavinnen und Pharaonen bevölkert war. Ab und zu warf sie einen verstohlenen Seitenblick auf Sofia, die ebenso mit glänzenden Augen das Geschehen auf der Bühne verfolgte. Als die letzten Töne vor der Pause verklungen waren, brandete der Applaus auf, und der Vorhang wurde wieder vorgezogen. Für Beatrice war es magisch gewesen.
    Da sah sie, wie unten auf dem Parkett ein großer, breitschultriger Mann aufstand. Der Mann, mit dem sie im Foyer zusammengestoßen war. Seine Begleiterin – die Frau in dem tiefausgeschnittenen Kleid – raffte Fächer, Schleppe und Abendtäschchen zusammen, während sie gleichzeitig mit ihren Nachbarn sprach. Unterdessen ließ der Mann seinen Blick über die Sitzreihen schweifen. Er trug einen schwarzen Anzug und hatte kurzes Haar, doch er war schlecht rasiert, was seinem ernsten Gesicht etwas beinahe Verletzliches verlieh. Seine Begleiterin wandte sich mit einer koketten Geste zu ihm um, und er ergriff sofort ihre Hand und schenkte ihr ein langsames, verwegenes Lächeln, bei dem Beatrice unversehens Schmetterlinge im Bauch bekam. Doch die Frau versetzte ihm nur einen neckischen Klaps mit dem Fächer und führte ihre Unterhaltung fort. Also ließ der Mann seine Blicke wieder über den Saal wandern. Als er zu den Logen hinaufschaute, zog sich Beatrice hastig ins Dunkel zurück.
    Das hätte noch gefehlt, dass er sie erneut dabei erwischte, wie sie die Leute anstarrte wie eine plumpe Landpomeranze.

    In der Pause verschwanden die meisten Männer in die Cafés rund um die Oper, doch Edvard und Onkel Wilhelm gingen lieber ins Foyer, das den besseren Gesellschaftsklassen vorbehalten war. Beatrice und Sofia schlossen sich ihnen an, statt während der Pause im Salon zu sitzen. Ihre Füße versanken im dicken Teppich, ein offener Kamin verbreitete Wärme, und die Gläser klirrten leise. Beatrice erhaschte einen kurzen Blick auf sich in einem der zahllosen goldgerahmten Spiegel. Edvard hatte recht, Grün stand ihr wirklich gut, dachte sie. Die glamouröse Robe war so gänzlich anders als ihre sonst schlichten Kleider, dass sie ihrem Spiegelbild einfach zulächeln musste. Unter den Kristalllüstern plauderten elegante Frauen mit Männern im Frack. Ja, es machte tatsächlich Spaß, diese feinen Herrschaften zu beobachten, doch ein Teil von Beatrice wäre lieber auf Entdeckungsreise durch die Oper gegangen.
    Edvard und Onkel Wilhelm hatten sich zurückgezogen und eine gedämpfte Unterhaltung begonnen. Irgendjemand hatte ein Fenster zum Strömmen hin geöffnet, und in der brackigen Abendluft lag schon ein Hauch von Winter. Beatrice musterte ihren Onkel, der den ganzen Abend über noch kein Wort mit ihr gesprochen hatte. Dann spähte sie sehnsüchtig zur offenstehenden Tür. Sie musste sich wirklich beherrschen, um nicht ungeduldig mit dem Fuß zu wippen. Sofia hatte eine ältere Frau begrüßt, eine Bekannte ihrer Mutter, und Beatrice gab sich Mühe, ein wenig Interesse für ihre Konversation aufzubringen. Aber wenn sie schon mal in der Oper war, hatte sie keine Lust, sich darüber zu unterhalten, wo man die besten Seidenbänder kaufen konnte oder wie schwer es doch war, die Stockholmer Mädchen zu brauchbaren Dienstmädchen zu erziehen. Wie konnte man hier stehen und keine Lust verspüren, sich gründlich umzusehen? Sie warf einen Seitenblick auf Onkel Wilhelm.
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