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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
Autoren: Simona Ahrnstedt
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sagte Karin, die gerade einen neu eingetroffenen Gast entdeckt hatte. «Seth, bist du so gut und unterhältst Beatrice ein wenig?» Sie lächelte und verschwand.
    Beatrice sah aus, als hätte sie die Gastgeberin am liebsten am Arm festgehalten – aber die war schon wieder weg.
    «So, Fräulein Beatrice. Wie möchten Sie denn unterhalten werden?», fragte er.
    Sie runzelte die Stirn, und ihm dämmerte, dass sie die Zweideutigkeit seiner Worte wahrscheinlich gar nicht erfasst hatte. «Haben Sie denn noch weitere Gemälde ansehen können?», fuhr er deshalb rasch fort. Sie warf ihm einen verunsicherten Blick zu, und Seth begriff, dass sie nervös war. Der Ruf einer Frau konnte allzu leicht Schaden nehmen, und dass sie ihm in der Oper gefolgt war, konnte ihrem Ansehen durchaus großen Schaden zufügen, wenn es bekannt wurde. «Ich habe niemand davon erzählt», raunte er ihr zu.
    Auf ihrem Gesicht machte sich Erleichterung breit, und sie lächelte ihn an. «Danke», sagte sie. «Ich war nicht einmal sicher, ob Sie sich überhaupt an mich erinnern.»
    Seth ließ den Blick über den zarten Hals schweifen, wo rote Haarlocken schneeweiße Haut umspielten. Das war keine Frau, die er so schnell vergessen konnte.
    «Sagen Sie, wie hat Ihnen denn überhaupt die Aida gefallen?», erkundigte er sich und fragte sich insgeheim, ob sie wohl gemerkt hatte, dass er die Oper vor Ende der Vorstellung verlassen hatte.
    «Ich fand sie ganz wunderbar», antwortete sie. «Ich liebe solche Geschichten.»
    «Sie meinen Wirklichkeitsflucht und tragische Liebe?», fragte er skeptisch.
    Sie nickte. Weitere Strähnen ihres roten Haares lösten sich aus ihrer Hochsteckfrisur. Eine Strähne hier, eine Locke da. «Sie fanden die Oper also nicht prätentiös?», fragte er weiter.
    «Wie bitte?»
    «Sie wissen schon, anspruchsvoll, anmaßend», erwiderte er ernst.
    Beatrice brach in Gelächter aus, und es versetzte ihm einen Stich. Sie hatte Grübchen. Und einen ziemlich breiten Mund. «Wissen Sie, ich musste das Wort zu Hause nachschlagen.»
    «O Gott.» Sie biss sich auf die Lippen. «Ich muss auf Sie ja ganz schön …»
    «Gebildet wirken?», schlug er vor, und sie errötete leicht. Die nächste Strähne löste sich aus dem Knoten und kringelte sich um ihren Hals.
    «Ich bitte um Entschuldigung», sagte sie. «Ich weiß, dass das eigentlich kein Kompliment ist – wir Frauen sollten ja nicht zu belesen sein, nicht wahr?»
    Seth fragte sich, was für ein Dummkopf ihr das eingeredet haben mochte. Bestimmt dieser düstere Onkel.
    «Ich habe nichts gegen gebildete Frauen», beteuerte er und bot ihr den Arm. Nach kurzem Zögern legte sie die Hand auf seinen Unterarm und ließ sich langsam von ihm durch den Raum führen. «Sie mögen die Oper also», setzte er die Unterhaltung fort.
    «Ich habe noch nicht viele Aufführungen erlebt, aber als ich ein kleines Mädchen war, durfte ich einmal ins Ballett gehen, zu Giselle », erzählte sie. «Ich war völlig verzaubert.» Sie wandte ihm das Gesicht zu. Ihre Augen waren dunkelblau und standen leicht schräg, was ihr ein exotisches Aussehen verlieh.
    «Ist Giselle nicht an gebrochenem Herzen gestorben?», fragte er misstrauisch.
    Sie verzog den Mund. «Ich war damals elf und habe hinterher eine Woche lang geweint wie ein Schlosshund.»
    «Aber gefallen hat es Ihnen?», lachte Seth.
    «Ja, sehr. Aber danach durfte ich nie wieder ins Ballett. Und Papa verbot mir auch für mehrere Monate, Romane zu lesen. Er hatte Angst, dass es mich zu sehr aufwühlen könnte.»
    «Und Sie haben ihm natürlich gehorcht?», hakte Seth nach, obwohl er die Antwort bereits erahnte. Beatrice Löwenström, die sich heimlich durch Opernkorridore schlich, um sich Gemälde anzusehen, wirkte nicht gerade wie ein durch und durch gehorsames Mädchen.
    «Nicht im Geringsten. Dann hab ich sie eben heimlich gelesen», erklärte sie mit schuldbewusster Miene.
    «Und das hat er nicht bemerkt?»
    Sie lächelte immer noch, aber irgendetwas glomm in ihren dunklen Augen auf. «Nein», erwiderte sie. «Und dann kam es eben so, wie es kam.»
    Seth musterte sie gründlich von oben bis unten. Sie hat wirklich überall Sommersprossen, stellte er fest, auf der Nasenspitze, an den Ohren, sogar auf den Lippen. Seth – der nie zuvor über Sommersprossen nachgedacht hatte – fand sie nun faszinierend.
    «Ja, ich sehe schon, das Resultat war katastrophal», murmelte er und beobachtete vergnügt, wie sich ihre Augen weiteten. Dieses Mädchen war ja
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