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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Autoren: Christoph Maria Herbst
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entlang, und just in dem Moment, als ich mich frage, woran ich denn jetzt meine
Traumschiff
-Kollegen zu erkennen glaube, erhalte ich auch schon die Antwort: alle diejenigen gehören dazu, die unter dem Sitz, auf dem Schoß oder an der Seite durch eine Markendiscountertüte stigmatisiert sind.
    Rademann was here!
    Er hat eine Spur von Plastik hinterlassen und scheint powered by Aldi zu sein. Und – ach guck! – auch an meinem Sitz in der Ferne sehe ich eine Hängentatsache, diese bebeutelte, schlummernde Kollegin hier, meine ich zu kennen, das ist doch die … na! … die … ts-aaaaaah! … die Dings … die aus der Werbung für schockgefrostete Spinatkügelchen, wie heißt die denn noch? Komm grad nicht drauf, auf jeden Fall kann dann auch der Melitta-Mann nicht mehr weit sein. Vielleicht spielen dieses Jahr nur Gesichtsverleiher, Darstellungsbeamte und andere schauspielerische Schwergewichte mit, und schon entdecke ich Vitali Klitschko, der es aber nicht sein kann, da er weder zu zweit da sitzt noch eine Milchschnitte im Mund hat, außerdem fehlt die Tüte.
    Aber hier, der nächste Beutel, ach, das ist doch der, der … na!? … bzw.
die
, also
der
geriet doch in die Schlagzeilen, weil er früher eine Sie war und sich dann hat umbauen lassen, wie heißt ersie denn noch … fällt mir momentan auch nicht ein … – ein Käfig voller Narren und ich mittendrin.
    Oha, das wird ’n Spaß.
    Kaum weitergestolpert, komme ich in den Trakt, in dem die Privatpatienten liegen: hier ist
mehr
Platz, hat man die Qual der Wahl zwischen gleich
drei
Sandra-Bullock-Filmen, und es riecht nach getrunkenem, verschüttetem und gebunkertem Alkohol, den in rauen Mengen zu trinken natürlich dann besonders viel Spaß macht, wenn er umsonst ist, wovon gerade diese Spezies hier ohn’ Unterlass Gebrauch gemacht haben dürfte.
    Einer dieser vom Schnaps Gedrosselten fällt mir ganz besonders ins Auge: ein weiterer Schauspielerkollege. Er hält seinen Beutel besonders innig in den Armen, ist besonders alt und hat mit den anderen nur gemein, dass mir auch sein Name nicht einfällt. Greiflippig, mit eher zirkulär gekämmtem Haar, einer Brille, deren Gläser aus den Böden kleiner Colaflaschen gemacht sind, und umgestülpten unteren Augenlidern liegt er in Embryonalstellung vor mir, und die Art und Weise, wie er dort gebettet ist, könnte einen auf den Gedanken bringen, er habe eine Pfanne unter sich: die ganze Haltung hat etwas Verkrampft-Rheumatisches – ein ca. 1,65 m großer Hammerzeh. Es ist nicht Mitleid, was ich für ihn empfinde, sondern eher so etwas wie Dankbarkeit, weil ich nämlich feststelle, dass er lebt, denn ich kann es riechen. Es ist eine Mischung aus leckgeschlagener Minibar und dem typischen Altherren-Brodem, in dessen Epizentrum ich grad stehe. Er könnte jeden Moment aufstehen und rufen: »Ich werde 110 Jahre alt!« Die BFA würde einen ganzen Formularsatz nach mir benennen, würde ich hier und jetzt diesem Gruselgreis seine Tüte über den Kopf ziehen.
    Plötzlich erinnere ich mich an die sogenannte Handlung der
Traumschiff
-Episode, für die ich hier gebucht wurde, und in der es genau um so einen alten Herrn geht. Würde mich nicht wundern, wenn ich mit dem Jopi-Double hier die meisten Szenen an Bord drehen würde. Nicht, dass ich besonders viel mit ihm zu spielen hätte, und selbst wenn: von jeher zeichnen sich die Spieler der Rollen in Soaps – und das
Traumschiff
ist nichts anderes als eine Soap, wenn auch im kolonialistischen Stil – vor allem dadurch aus, dass sie eben nicht mit dem Anderen spielen, sondern ausschließlich mit sich selbst, was dem Erfolg dieses neben der
Sendung mit der Maus
und dem Leopard-Panzer größten deutschen Exportschlagers allerdings keinen Abbruch tut; bei dieser Serie ging es ja immer schon darum, besonderes Augenmerk auf das Abfotografieren der attraktiven Motive zu verwenden und die Akteure auf eine Weise dorthineinzunageln, dass sie möglichst wenig stören, getreu dem Motto: Location vor Drehbuch! Sollte dennoch einmal die redaktionelle Todsünde begangen worden sein und es wurde ein wirklich guter Schauspieler besetzt, so muss dieser Fehler an der Front, also in all den Schützengräben Guadeloupes, der Malediven und Bahamas, ausgemerzt werden, indem der diensthabende Regisseur darauf achtet, dass der Akteur nie zu ungestelzt spricht, nie zu ungekünstelt spielt und auf diese Weise der Natur die Show stiehlt.
    Eine absolute Virtuosität haben alle Traumschiffer
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