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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Autoren: Christoph Maria Herbst
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bei dieser Seifenoper längst den Vorhang gezogen hatte, als ich meinen Augen nicht trauend sah, wie eine lange Schlange von Menschen unter einem Iberia-Monitor, auf dem »Panama« stand, nach und nach abgefertigt wurde.
    »Scheiße«, dachte ich, »ich hab’s geschafft«.
    Wie eine silberne Kugel schossen die Gedanken durch den Flipperautomaten meines Hirns, und ich wälzte absurderweise die unterschiedlichsten Ideen von einer Seite zur anderen, wie ich auch jetzt noch mitten im schlimmsten deutschen Winter einer Reise durch Südamerika mit anschließendem Weiterflug auf das Honeymoonatoll Bora Bora entgehen könnte, als ich eine vertraute Stimme hörte und im selben Augenblick »Bier« dachte,»Marzipan« schmeckte und »Knoblauch« roch:
     
    »Wat für ’ne Jurkentruppe. Iberia – ick lach mir tot. Aber treu bleiben die sich. Ick bin in dreißig Jahren noch nich einmal pünktlisch mit die abjeflogen … Muahahahahaha … Pffffffffffffffft!«
     
    Natürlich! Mein persönlicher Eintüter war längst da mit allem Drum und Dran: Tüte, Hemd, Flecken!
    Unsere Blicke trafen sich.
    Spätestens ab jetzt war Fliehen zwecklos.
     
    »Wa, Christoph!?«
    »Ab-solut!«,
     
    hielt ich unfassbar schlagfertig dagegen und folgte den anderen Menschen, die Hälfte bestimmt Team- und Ensemblemitglieder, und nur für einen Moment überlegte ich, ob er vielleicht
die
mit »Jurkentruppe« gemeint haben könnte.
     
    Tja, und da sitze ich nun auf 11F, bereit, wieder auszusteigen, als der Flieger nach Panama aufbricht und nur die Spontanassoziation mit Janosch’s Tiger lässt mich zumindest einen Mundwinkel nach oben ziehen.
     
    »Oh, wie schön … –«
    »… ist Panama!«,
     
    unterbreche ich gedankenverloren eine weibliche Stimme, die auf mich gerichtet ist, und sie erwidert:
     
    »… äh, ja, das sicher auch, aber ich wollte sagen, wie schön, dass Sie dieses Jahr mal mit dabei sind, Herr Herbst!«
    »Oh, ja, das finde ich auch, Frau … Frau …«
     
    Meine Lüge verliert sich im Frotteetuch, denn nicht nur, dass ich diese freundliche Dame gar nicht kenne, mir wird zeitgleich von einer Stewardess auch noch ein warmes, nach Lavendel duftendes Teil gereicht, in das ich den Rest meines Satzes, der eh nie ein Ende gefunden hätte, reinatme. Ich feudele mir das komplette Gesicht mit dieser angenehmen Erfrischung, und als ich wieder auftauche, ist die mir unbekannte Dame auch schon weg.
    8 Stunden später
    Eine heilige Ruhe, hoffentlich nicht die, auf die der Sturm folgt, hat das Luftschiff, das sich zwischenzeitlich anfühlte wie eine Tomatensaftbar, fest im Griff. Wegen »plötzlich auftretender, unerwarteter Turbulenzen« wird man ja schon seit Jahren von der internationalen Versicherungswirtschaft gebeten, stets angeschnallt zu sitzen, aber dieser Aufforderung wird ein ähnlich hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt, wie den vor dem Start von den Stewardessen vorgetanzten Hinweisen, wo sich die Notausgänge befinden und wer wem wann bei dem »unwahrscheinlichen Fall eines Druckverlustes« in die Sauerstoffmaske helfen soll, nämlich keine. Und so sieht es vor, neben und hinter mir fast aus wie in einem Nachtasyl, überall liegt jemand, etwas oder mehrere, übereinander, miteinander, durcheinander, und ich entschließe mich, die Gunst von Dunkelheit und vorgerückter Stunde zu nutzen, um einen Zug durch die Gemeinde zu machen.
    Vielleicht erkenne ich Schauspieler, erinnere mich an Teammitglieder oder kann Wolfgang dabei ertappen, wie er sich eine knalla Knoblauchstulle schmiert!?
    Richte mich vorsichtig auf und recke den Hals, als schon der erste Blick nach hinten auf geschätzte sechshundert schlafende Personen den Eindruck erweckt, ein Giftgasanschlag habe alle hinweggerafft: sehe vornüberhängende, merkwürdig zur Seite weggedrehte, komplett nach hinten abgeknickte, teilweise mit Sabberrinnsalen verunstaltete oder notdürftig mit Nackenkissen stabilisierte, hier und da zu ganzen Laokoongruppen zusammengeschweißte Köpfe, wobei mehrere von ihnen zu ein- und demselben Körper zu gehören scheinen, und es riecht auch wie im Drachenkäfig.
    Werde mich nie an die Anomalie gewöhnen können, in vierzehntausend Metern Höhe, bei einer Außentemperatur von minus 65 Grad und mit einer Geschwindigkeit von rund 900 km/h in einer Hülle aus verbogenem und geklebtem Metall mit Hunderten von Fremden Risi-Pisi zu essen und ihnen danach beim Verdauungsschlaf zuzusehen.
    Sei’s drum. Ich schwebe vorsichtig einen der Gänge
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