Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
Vom Netzwerk:
sich mit bewundernswertem kriminalistischem Gespür geweigert, das Bett anzurühren oder es von jemand anderem anrühren zu lassen, obwohl man erst einige Zeit später nach der Polizei geschickt hat.«
    »War außer Sir Reuben und dem Personal niemand im Haus?«
    »Nein; Lady Levy war mit Tochter und Zofe fort. Der Diener, die Köchin, das Stubenmädchen, Hausmädchen und Küchenmädchen waren die einzigen Leute im Haus und haben natürlich zuerst mal ein bis zwei Stunden mit Klatsch und Tratsch vertan. Ich war dann um zehn Uhr dort.«
    »Was hast du seitdem unternommen?«
    »Ich habe herauszufinden versucht, mit wem Sir Reuben gestern abend verabredet war, denn mit Ausnahme der Köchin war der Betreffende der letzte, der ihn vor seinem Verschwinden gesehen hat. Es mag eine ganz simple Erklärung für das alles geben, aber du kannst mich totschlagen, mir fällt im Augenblick keine ein. Zum Kuckuck noch mal, ein Mensch kommt doch nicht nach Hause, legt sich schlafen und geht dann mitten in der Nacht >mit nichts an< wieder weg.«
    »Er könnte sich verkleidet haben.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht - es scheint überhaupt die einzig mögliche Erklärung zu sein. Aber es ist schon arg komisch, Wimsey. Ein bedeutender Geschäftsmann schleicht sich am Vorabend einer bedeutenden Transaktion mitten in der Nacht davon, ohne irgend jemandem ein Sterbenswörtchen zu sagen, verkleidet bis auf die Haut und unter Zurücklassung seiner Uhr, Geldbörse, seines Scheckhefts und - das ist das Rätselhafteste und Wichtigste - seiner Brille, ohne die er die Hand nicht vor Augen sieht, weil er extrem kurzsichtig ist. Er -«
    »Das ist allerdings wichtig«, unterbrach ihn Wimsey. »Bist du sicher, daß er keine zweite mitgenommen hat?«
    »Sein Diener schwört, daß er nur zwei Brillen besitzt; die eine lag auf der Frisierkommode, die andere in der Schublade, wo sie immer liegt.«
    Lord Peter stieß einen Pfiff aus.
    »Jetzt siehst du mich in der Klemme, Parker. Selbst wenn er fortgegangen wäre, um sich umzubringen, hätte er eine Brille mitgenommen.«
    »Sollte man meinen - sonst wäre der Selbstmord mit dem ersten Schritt auf die Straße schon passiert gewesen. Aber ich habe diese Möglichkeit nicht übersehen. Ich habe mir eine Aufstellung aller Verkehrsunfälle von heute besorgt und kann die Hand dafür ins Feuer legen, daß keines der Opfer Sir Reuben war. Außerdem hat er seinen Hausschlüssel mitgenommen, woraus man schließen könnte, daß er zurückkommen wollte.«
    »Hast du die Leute gesprochen, mit denen er gegessen hat?«
    »Zwei von ihnen habe ich im Club angetroffen. Sie sagen, er habe gesund und munter ausgesehen und davon gesprochen, später - vielleicht zu Weihnachten - Lady Levy nachzufahren; er habe auch mit großer Befriedigung von dem Geschäft gesprochen, das er heute morgen abschließen wollte und an dem einer von ihnen - ein gewisser Anderson aus dem Hause Wyndham - selbst beteiligt war.«
    »Dann hatte er also bis spätestens neun Uhr abends noch nicht die Absicht oder damit gerechnet, plötzlich zu verschwinden.«
    »Nein - falls er nicht ein ganz hervorragender Schauspieler ist. Das Ereignis, das ihn seine Absichten hat ändern lassen, muß also entweder während des Treffens mit dem geheimnisvollen Unbekannten nach dem Essen stattgefunden haben oder zwischen Mitternacht und halb sechs Uhr morgens, als er im Bett lag.«
    »Nun, Bunter«, sagte Lord Peter, »was halten Sie davon?«
    »Das fällt nicht in mein Metier, Mylord. Es ist höchstens eigenartig, daß ein Gentleman, der zu erregt oder zu krank war, um seine Kleidung wie gewohnt zusammenzulegen, daran gedacht haben soll, sich die Zähne zu putzen und seine Schuhe hinauszustellen. Gerade diese beiden Dinge werden häufig vergessen, Mylord.«
    »Wenn das persönlich gemeint war, Bunter«, sagte Lord Peter, »kann ich nur sagen, daß ich Ihre Bemerkung höchst unangebracht finde. Das ist ein hübsches Problemchen, mein lieber Parker. Hör zu, ich will mich ja nicht einmischen, aber ich würde liebend gern morgen einmal dieses Schlafzimmer sehen. Ich mißtraue dir ja nicht, mein Bester, aber ich möchte es eben um mein Leben gern sehen. Sag nicht nein - trink noch ein Schlückchen Kognak und nimm dir eine Villary Villar, aber sag bitte, bitte nicht nein!«
    »Natürlich kannst du mitkommen und es dir ansehen - wahrscheinlich findest du eine Menge Dinge, die ich übersehen habe«, erwiderte der andere ruhig und akzeptierte das gastfreundliche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher