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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto
Autoren: Léo Malet
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eigentliche Knüller fehlt in Ihrem Bericht. Die Legende von
Riton-dem-Spinner war auf Sand gebaut! Viel Wind um nichts... Ich frag mich, ob
der Gangster im Laufe seiner kriminellen Karriere früher mal einen Anwalt
hatte. Der könnte mir vielleicht weiterhelfen und mich auf eine Idee bringen. Es
müßte doch was rauszukriegen sein, verdammt nochmal! Seine Akte war bestimmt
nicht leer, bevor er — dank Ihrer Kollegen und weniger naiver Zeitgenossen —
zum Staatsfeind Nr. 1 befördert wurde.“
    „Man müßte mal im Archiv nachsehen“, sagte Covet
augenzwinkernd. „Aber da ist es immer so staubig…“
    „Schicken Sie doch einen Laufburschen in den
Keller“, schlug ich vor. „Wir können in der Bar auf seinen Bericht warten.“
    Gesagt, getan. Eine Stunde später kam ein zartes
Bürschchen zu uns in die Kantine. Er reichte Covet das Ergebnis seiner
Nachforschungen. Nach einem kurzen Blick auf die Notizen sagte Covet
geringschätzig:
    „Er war früher ein drittklassiger Ganove.
Dreimal verurteilt, und jedesmal hatte er einen anderen Anwalt.
Pflichtverteidiger wahrscheinlich. Hier, lesen Sie.“
    Die Anwälte, die Riton verteidigt hatten, waren
Maître David, Maître Boisset und Maître Lenormand. Maître Lenormand? Letzteren
wollte ich mir vorknöpfen. Im Telefonbuch waren fünf Anwälte unter diesem Namen
aufgeführt, glücklicherweise mit verschiedenen Vornamen. Ich ließ mir fünf
Telefonmarken geben und rief die Namensvettern nacheinander an, um sie zu
fragen, ob sie früher einmal Riton-den-Spinner verteidigt hätten, der damals
noch schlicht Henri Calas hieß. Vier verneinten meine Frage. Der fünfte —
Eugène Lenormand in Neuilly — mußte der richtige sein. Er war nicht zu Hause.
Ich rief einen sechsten Anwalt an, einen Freund von mir, mit dem ich den
Telefonreigen besser begonnen hätte. Ich befragte ihn über das Aussehen von
Eugène Lenormand. Spindeldürr oder kugelrund? Eher ein Schwergewicht,
antwortete mein Freund.
    Ich ließ Covet mit dem Versprechen allein, ihm
bald wieder einen Sensationsartikel zu liefern, und fuhr nach Neuilly.
    Der Sensationsartikel schien noch ein wenig auf
sich warten zu lassen. Maître Lenormand war immer noch abwesend, als ich bei
ihm zu Hause klingelte. Ich sagte dem Butler, der mir die Tür geöffnet hatte,
daß ich später noch einmal vorbeikommen würde.
    „Nicht vor ein paar Tagen“, riet mir der Mann.
„Monsieur ist zur Erholung aufs Land gefahren.“
    Ich sah mir den Wächter des Hauses an. Er machte
nicht den Eindruck, als würde er Privates ausplaudern, auch nicht gegen
Bezahlung. Resigniert hob ich die Schultern. Maitre Lenormand hatte Henri
Calas-Riton verteidigt. Man hatte Hand an seinen Mandanten gelegt. Zu Recht
befürchtete er, daß sich die Journalistenmeute auf ihn stürzen würde. Also
machte er sich aus dem Staub. Vielleicht hatte er genausowenig wie ich ein Haus
auf dem Land. Und angenommen, er hatte eins, so war durch nichts bewiesen, daß
er sich auch dort aufhielt. Doch irgendwie kam mir sein Verhalten merkwürdig
vor. Ich ging in das nächste Bistro und schnappte mir wieder das Telefonbuch.
Manchmal ist dort auch der Zweitwohnsitz eines Teilnehmers aufgeführt. Bei dem
Anwalt traf das leider nicht zu. Ich überlegte, wer mir den gewünschten Hinweis
geben könnte...
    Ein Taxi brachte mich zum Hôtel-Dieu. Joëlle
hielt sich immer noch dort auf und war putzmunter. Zwei Dinge, mit denen ich
eigentlich nicht gerechnet hatte.
    „Ich will Sie noch ein wenig quälen“, sagte ich,
nachdem wir die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten. „Der Anwalt
Ihres... nun, von Gérard Flauvigny ist doch Maître Lenormand, nicht wahr?“
    „Ja. Warum?“
    „Es hat nichts mit Ihnen zu tun, es geht um einen
anderen Fall. Schließlich arbeite ich nicht nur für die Familie Flauvigny!“
fügte ich lachend hinzu. „Hat er ein Haus auf dem Land?“
    „Ja, in Coutances“, sagte Joëlle verträumt. „Im
Departement Manche. Nicht weit von unseren Häusern.“
    „Ach, Flauvigny hat dort Häuser? Dann können Sie
sich ja dort ausruhen, wenn Sie hier rauskommen.“
    „Was hat das jetzt noch für einen Sinn“, seufzte
sie mit der Miene von jemandem, für den nichts mehr einen Sinn hat. „Und
außerdem gehören die Häuser nicht mir... Was gehört mir überhaupt?“ fügte sie
etwas lebhafter hinzu. „Was gehört mir von den Flauvignys, außer dem Namen...
Und der noch zu Unrecht.“
    „Aber, aber“, tröstete ich sie, „irgend etwas
wird
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