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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)
Autoren: Arkadi Babtschenko
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Identifizierung von sterblichen Überresten sowie der Freikauf von Kriegsgefangenen. Ebenso wenig Gedenktafeln, Gedenkeinrichtungen, Museen, Straßenumbenennungen und Staatsaufträge für militärpatriotische Filme. Nicht berücksichtigt ist die Entschädigung russischer Staatsbürger für ihre zerstörten Häuser, für verlorenes Eigentum, getötete Menschen, Verwundungen, Traumata, Zwangsumsiedlungen und moralische Schäden.
    Summa summarum läppert sich das zu einem supermodernen Flugzeugträger mit allem Zubehör.
    Überflüssig zu sagen, wie diese Gelder gezahlt werden. Die Gerichte sind bis heute überhäuft mit Klagen von Soldaten gegen den Staat.
    Wenn das Leben der Soldaten, die der Staat in einem weiteren «politischen» Krieg zu opfern bereit ist, tatsächlich einmal so viel wert sein wird wie ein Flugzeugträger, dann dürfte das ein starker hemmender Faktor sein.
    Bislang bekommt ein Gefreiter der Infanterie in der Armee dreihundert Rubel. Richtiger gesagt: Der Staat zahlt dreihundert Rubel für siebzig Kilogramm Lebendgewicht. Viereinhalb pro Kilo Kanonenfutter. Dreimal so billig wie die Kartoffeln, mit denen man diesen Soldaten füttert.
    Apropos. Der Erste, der seine Soldaten bezahlt hat, war Peter der Große. 1711 wurde eine Tariftabelle verabschiedet, in der die Soldhöhe der Wehrpflichtigen aufgeführt war. Bemerkenswert ist, dass sich die Bezahlung je nach Nationalität unterschied und die Russen schlecht dabei wegkamen. So erhielt ein russischer Fähnrich anderthalbmal weniger als ein ausländischer – fünfzig gegenüber vierundachtzig Rubel. Ein russischer Major erhielt fast dreimal weniger als ein Söldner – hundertvierzig gegenüber dreihundertsechzig Rubel. Die Bezahlung der «Vollgeneräle» unterschied sich weniger stark – je 1800 und 2160  Rubel pro Person. Einzig und allein die Generalfeldmarschälle bekamen siebentausend Rubel im Monat, unabhängig von ihrer Nationalität.
    Neben dem Soldsystem führte Peter der Große auch ein Prämiensystem ein. Im russisch-schwedischen Krieg zum Beispiel wurden für einen gefangenen gegnerischen General zweitausend Rubel gezahlt, ein Oberst schlug mit tausend Rubel zu Buche, ein Gefreiter mit fünf Rubel. Für jeden getöteten Gegner bekam der russische Soldat drei Rubel – für damalige Zeiten gar kein schlechtes Geld –, für zwei getötete Feinde konnte man sich eine Kuh kaufen.
    Und noch etwas. Die höchste Prämie in der gesamten Kriegsgeschichte der regulären Armee hat Alexander  I . im Krieg gegen Napoleon gezahlt. Neben dem Weltruhm und der Unsterblichkeit erhielt Michail Illiarionowitsch Kutuzow für die Schlacht von Borodino hunderttausend Rubel. Damals eine geradezu kosmische Summe. Übertragen in die Währung des Großen Vaterländischen Krieges – das Brot –, ergäbe das zwanzig Millionen Kilo Mehl. Rechnet man das nach heutigen Preisen und den Getreideexporten aus Kanada, wäre es schon nicht mehr so viel – nur anderthalb Millionen Dollar. Inflation, da kann man nichts machen. Der zweite Held von Borodino, Barclay de Tolly, bekam für die Schlacht fünfzigtausend. Daneben wurden zahlreiche Offiziere und Soldaten mit Brillantorden, namentlich signierten Waffen und Geldprämien ausgezeichnet.
    Auch die heutige «Präsidentenzulage» ist keine Neuigkeit. Die Zahlung von Kampfzulagen wurde noch während des Bürgerkriegs eingeführt. So bekam laut Verordnung des Revolutionären Kriegssowjets vom ersten Mai 1918 ein «gewöhnlicher Zugführer und Quartiermeister» dreihundert Rubel, der «Zugführer im Kampfeinsatz» dagegen dreihundertfünfzig. Ein «gewöhnlicher» Kompaniechef ebenfalls dreihundertfünfzig, einer «im Kampfeinsatz» vierhundert. Nur die Soldaten bekamen an der Front das gleiche Geld wie im Hinterland – nämlich fünfzig Rubel plus Verpflegung in Naturalien.
    ***
    Aus den Berichten zweier Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges:
     
    Wladimir Wasiljewitsch Karpow, Aufklärer, Held der Sowjetunion:
    «Ich machte neunundsiebzig Gefangene und bekam keinen einzigen Rubel dafür. Überhaupt habe ich im ganzen Krieg nichts bekommen, obwohl ich Panzer abgeschossen habe. Das war nicht üblich. Es war eben meine Arbeit. Die Norm war: Für fünfundzwanzig Gefangene gibt es den Helden. Ich wurde dreimal vorgeschlagen, aber nur einmal ausgezeichnet. Die Resolution kam zurück – ‹Was denkt ihr, wer ihr seid?› Vor einem Jahr war ich noch im Strafbataillon, Volksfeind, und jetzt ein Held … Erst
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