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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz
Autoren: Jessica Thompson
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sie normalerweise niemals über den Weg laufen würde. Sie musste den üblichen Typen, die auf ihre perfekte Sanduhrfigur und ihre atemberaubenden Augen flogen, aus dem Weg gehen   – den Typen, die in einer Bar auf sie zustolzierten, während die netten Männer in ihr Bier starrten und sich still fragten, warum sie nicht den Mut zusammenbekommen hatten, Tanya als Erste anzusprechen.
    Sara tauschte nicht gern die Schicht   … sie bat andere nur sehr ungern, kurzfristig ihre Pflichten zu übernehmen. Sie ging in die Büronische zurück, wo das Telefon stand, und vergewisserte sich mit raschen Blicken, dass genügend Personal hinter der Theke stand und sich auf »Patrouille« befand. Sie war stolz auf das glückliche Team, das sie aufgebaut hatte. Sie nahm den Hörer und wählte.
    Es klingelte viermal, dann nahm jemand ab. »Äh, ja, hallo?«, hörte sie Simons tiefe, erdige Stimme.
    »Hi, Simon«, schnurrte Sara in den Hörer. Sie erhaschte einen Blick auf sich selbst im Computerbildschirm: Ihr Kurzhaarschnitt war schon wieder länger, als es ihr gefiel. Sie zupfte an ihrem Pony und schalt sich, weil sie es nicht geschafft hatte, ihn am Morgen zu stutzen.
    »Oh, oh, äh, hi, Sara. Alles okay? Ich meine, wie geht es dir?«
    »Ja, gut, danke. Hör mal, ich muss mich kurz fassen   – könntest du heute Abend meine Schicht übernehmen? Ich kann für dich deine Schicht morgen übernehmen; und du weißt, was das heißt, oder?«, fragte sie mit dem gleichen »Wenn-Sie-zögern-ist-er-weg«-Ton in der Stimme, wie ihn ein hochtalentierter Autoverkäufer anschlägt. Sie bezweifelte, ob er lange genug zögerte, um sich die Krawatte zurechtzurücken.
    »Das heißt, ich kann heute Nacht ins Pacha gehen und brauche morgen nicht zu arbeiten, oder?« Aus seiner Stimme war sein Lächeln herauszuhören.
    »Ganz genau das   … kannst du in einer halben Stunde hier sein?« Sie wusste, dass seine Wohnung nur zwei Minuten entfernt lag, eine merkwürdige, baufällig wirkende enge Behausung über einem Zeitungsladen, der noch Bleistiftaufsätze und lose Süßigkeiten für einen Penny verkaufte.
    »Ja, geht klar. Gib mir fünfundzwanzig Minuten«, murmelte er und legte auf.
    Sara legte mit einem erleichterten Seufzer auf und holte ihr Handy heraus. Rasch gab sie eine SMS ein, in der sie Tanya mitteilte, dass sie bald mit einer Flasche Pinot Noir vorbeikäme. Als das erledigt war, räumte Sara rasch das Büro auf, ehe sie ging. In dem trüben Licht, das der Computerbildschirm warf, blitzte ihr Ehering auf, als sie einen gefährlich hohen Papierstapel in eine Ablagebox räumte. Sein Anblick weckte in ihr noch immer ein Gefühl der Wärme. Jedes Mal, wenn sie den Ring ansah, konnte sie fast gar nicht glauben, dass es wirklich geschehen war.
    Vor einem Jahr hatte sie Tom Wilson geheiratet und war Sara Wilson, geborene Peabody, geworden. Sie liebte Tom mehr als alles auf der Welt, aber zu den besonderen Vorteilen der Heirat hatte auch gehört, dass sie endlich ihren Mädchennamen ablegen konnte, diese Kombination aus den Wörtern für »Erbse« und »Körper«, für den man sie auf der Schule mehr als nur ein wenig aufgezogen hatte. Die meisten Schultyrannen mussten nach den üblichen Zielkriterien Ausschau halten: X-Beine, Rachitis, Essensreste in Zahnspangen, unvorteilhaftes Haar oder dicke Brillen, aber Sara war dank ihres Nachnamens für solche Plagegeister ein Geschenk auf dem Präsentierteller. Heute Abend ging Tom zu irgendeiner Vernissage, auf der endlos Tabletts mit Kanapees herumgetragen wurden und kleine»Skulpturen« aus Lebensmitteln wie Fischrogen und gebackenem Ziegenkäse sich in gefährlicher Höhe aneinanderstützten. Es klang toll, aber sie war schon auf so vielen davon gewesen, also überließ sie das ihm   – in letzter Zeit musste er immer öfter allein gehen. Er hatte Verständnis dafür, und Sara verlangte von ihm wiederum nicht, dass er bei wichtigen Events im Restaurant teilnahm. In dieser Hinsicht führten sie ein relativ getrenntes Leben, und sie hielt es für gesund. Toms Karriere hatte in den letzten Monaten abgehoben, als die aufstrebende Mulai Gallery auf der Tottenham Court Road anbot, seine Arbeiten auszustellen. Für Tom war das ein großer Schritt nach vorn gewesen; ein Riesenschritt sogar.
    Sara erkannte deutlich den Kontrast zwischen ihrem und Tanyas Liebesleben. Während Sara nach Hause zu ihrem gammeligen, aber umwerfenden Ehemann gehen konnte, ließ sich Tanya von einem schlimmen Finger nach dem
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