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Ein stuermischer Retter

Ein stuermischer Retter

Titel: Ein stuermischer Retter
Autoren: Anna Gracie
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Liebe", sagte er gerührt.
    Die Beerdigung von Estrellitas Urgroßmutter verlief still und sehr ergreifend. Auf einer hölzernen Bahre trugen die Männer die in einen Teppich gewickelte Abuela den Berg hinunter. Nicholas hatte sich fast vollständig erholt und nahm an dieser Zeremonie intensiv teil. Er wollte der alten Dame seinen Respekt erweisen, die gestorben war, um ihm das Leben zu schenken.
    Sie legten sie behutsam in die tiefe Grube neben Algys Steinhügel. Um sie herum verteilte Estrellita ein Paar Lederschuhe, einen bestickten Schal, einen Rock, einen schwarzen Kochtopf, einen Kupferkessel, eine Schüssel, einen Löffel, eine Tasse, einen Rosenkranz mit Jettperlen sowie eine Handvoll Münzen. Danach bedeckte sie alles mit einem weißen Webtuch.
    Estrellita hielt eine lange Rede in der Sprache, in der sie und Abuela immer miteinander geredet hatten. Zum Schluss bückte sie sich und warf eine Handvoll Erde ins Grab. Schweigend und mit schmerzerfüllter Miene bedeutete sie den anderen, es ihr gleichzutun. Einer nach dem anderen trat vor und sagte irgendetwas, ein Gebet oder ein paar persönliche Worte. Jeder von ihnen warf eine Handvoll Erde in die Grube.
    Mac ging als Erster und verschwand gleich darauf. Nick war der Letzte, der sich an das offene Grab stellte. Er starrte auf die winzige, in den Teppich gehüllte Gestalt. Das hier hätte auch sein Grab werden können, in dieser steinigen, fremden Erde, neben Algy, seinem ältesten und besten Freund. Was sollte er der Frau sagen, die ihr Leben gegeben hatte, um ihn zu heilen? Worte reichten einfach nicht aus, um ihr dafür zu danken, daher zitierte er den dreiundzwanzigsten Psalm: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf grünen Auen ..."
    Während er sprach, stimmten auch die anderen mit in das schöne Gebet ein.
    „Und wenn ich auch wanderte im finsteren Todestal, so fürchte ich kein Unglück ..." Estrellita fing an zu schluchzen, und Faith legte den Arm um sie, während sie weiter das Gebet sprach, den Blick auf das dunkle Tal unter ihr gerichtet. Das hier war für Abuela, für Algy und für all die weiteren jungen Soldaten, die hier gestorben waren, fernab von ihrer Heimat und ihren Lieben.
    Als der Wind die letzten Worte des Psalms hinaus über das Tal trug, ertönte plötzlich ein klagender, melancholischer Ton.
    Estrellita hob erschrocken den Kopf. „Was ..."
    Nick erklärte es ihr. „Das ist Mac. Er spielt den Dudelsack für Ihre Urgroßmutter. Das
    ist ein schottischer Brauch." Er hörte eine Weile zu. „Das Stück, das er spielt, ist ein traditionelles Klagelied für die Toten."
    „Es ist wunderschön", schluchzte Estrellita. „Das habe ich nicht erwartet. Abuela würde es so gut gefallen. Mein Volk spielt auch den Dudelsack."
    Sie alle lauschten. Die Melodie war ergreifend und von geradezu quälender Schönheit. Die Töne hallten in den Bergen wider und verklangen über dem Tal.
    „Er hat den Dudelsack mitgenommen, weil er glaubte, er würde auf der Beerdigung des Capt'n darauf spielen", flüsterte Stevens Faith ins Ohr, und diese umarmte Estrellita daraufhin noch fester.

16. KAPITEL
    Du bist schöner als die Abendluft,
    die ihr Gewand mit tausend Sternen schmückt.
    Christopher Marlowe
    Nach einem Todesfall waren neun Tage der Trauer vorgeschrieben. So war es Brauch in ihrer Familie, wie Estrellita Faith erklärte. „Und ich muss es vorschriftsmäßig tun, um meinen Respekt zu erweisen. Ich bin die letzte Frau in unserer Familie. Bei uns wird die Blutlinie durch die Frauen fortgeführt."
    Sie redete in dieser Zeit nur mit Faith, obwohl Mac mehrmals versuchte, sie anzusprechen. Sie weigerte sich jedoch, in irgendeiner Form mit ihm zu kommunizieren - sie sah ihn nicht einmal an.
    Estrellita bot einen schrecklichen Anblick. Sie wusch sich nicht, ihr Gesicht und ihre Hände waren schwarz von Asche und Ruß, und ihr Haar war schmutzig und verfilzt. Ihr leuchtend rotes Beerdigungskleid war schon bald zerrissen und zerlumpt.
    Sie machte sich an die Arbeit, alle Habseligkeiten ihrer Urgroßmutter aus der Hütte zu beseitigen. Sie zerbrach, was sie zerbrechen konnte, und verbrannte den Rest -Kleidung, Leinen und Schuhe. Sie kochte nicht und aß auch nichts von dem, was Faith und Stevens für sie zubereiteten. Sie sagte ihnen, sie hätte nichts dagegen, dass sie für sich kochten, schließlich waren sie nicht an den Brauch gebunden. Aber sie selbst würde nichts tun, was respektlos sein könnte.
    Macs Irritation nahm
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