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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel
Autoren: Karl Lukan
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Zeit, bis Lois wieder gehfähig war. Klettern ist er nicht mehr gegangen.
    Jahre später an einem Vormittag rief mich seine Zimmervermieterin an und sagte, dass Lois an diesem Nachmittag sein Begräbnis hätte.
    Ich versuchte noch einige Spezln von dem Donnerstagabend-Treffen beim Loisl zu verständigen. Erreicht habe ich nur den Moravec Fritzl – und der flog am späten Nachmittag wieder einmal in den Himalaya. Jede Minute bis dahin hatte er schon verplant.
    Nur wenige Leute standen an Loisls Grab. Ein Funktionär von der kommunistischen Partei hielt eine kleine Ansprache. Und dann kam der Moravec Fritzl den Berg heraufgerannt ...
    »Dem Loisl muss i noch Servus sagen ... der war doch ein Stück unserer Jugend!«, keuchte er und rannte gleich wieder zu dem wartenden Taxi hinunter.
    1947 – ein Jahr nach dem Lalidererwand-Abenteuer – war ich wieder im Karwendel. 1946 hatte Hias Rebitsch seine Direkte Lalidererspitze-Nordwand in zwei Etappen durchklettert, einmal die untere und dann die obere Wandhälfte. An einer Durchsteigung der Wand in einem Durchgang war er nicht mehr interessiert. Ich schon. Doch Hermann Buhl machte sie eine Woche vorher. Mit Hansl Hausner gelang mir dann die dritte Begehung.
    Hermann Buhl hatte ich im Krieg kennengelernt. Nach der Monte-Cassino-Schlacht im Jahre 1944 kamen wir Hochgebirgsjäger in die Meeralpen, weil auch an der Riviera eine Landung der Amerikaner erwartet wurde. Auf 2600 Meter bezogen wir Stellung. Eines Tages hörte ich, dass es unten auf unserem Stützpunkt in Terme di Valdieri (ein berühmtes oberitalienisches Thermalbad) einen Sanitäter gäbe, der ebenfalls so ein verrückter Bergnarr wie ich sei.
    Ich fragte den Oberarzt nach dem kletternden Sanitäter. »Wenn der als Kletterer auch so lausig ist wie als Sanitäter, dann müsste er schon längst abgestürzt sein!«, sagte er.
    Hermann und ich sind sofort zur Sache gekommen: Wir sind zu einem der Granitblöcke bei dem Heilbad klettern gegangen und hetzten uns gegenseitig in immer schwierigere Wandstellen hinein. Nur vor einer haben wir kapituliert: Wir wollten nicht, dass einer von uns an dem sauschweren Wandl stürzt, sich verletzt und dann wegen Selbstverstümmelung vor ein Kriegsgericht gestellt wird. So streng waren nämlich damals die Bräuche.
    Wenn er den Krieg überlebte – so sagte Hermann damals –, wollte er gerne einmal etwas ganz Großes in den Bergen machen. Jeder von uns hatte damals seine Wunschträume und keiner wusste, ob er den Krieg überleben wird.
    Im Karwendel hatte ich 1946 und 1947 die ersten Frieden-Bergsommer nach dem Krieg erlebt. 1946 waren wir noch die einzigen Übernachtungsgäste in der Falkenhütte.
    Wenn es regnete, stiegen wir zur Ladizalm ab. Das war unser Schlaraffenland – dort gab es Milch, Butter und Käse. Wir erzählten den Hirten vom Leben im zerstörten Wien, sie erzählten uns Geschichten aus ihrer (wie es uns schien) heil gebliebenen paradiesischen Welt.
    1947 waren wir nicht mehr die einzigen Übernachtungsgäste. Vor dem Schlafengehen ging ich jeden Abend vor die Hütte und schaute hinauf zur Lalidererwand, in der wir vor einem Jahr um unser Leben gekämpft und ein ganz wundersames Erlebnis gehabt hatten.
    Plötzlich hörten wir Stimmen in der Wand, eine helle Stimme war zu hören und eine dunkle. Wir waren aber an diesem Tag die einzigen Menschen in der Hütte.
    Bald kamen die Stimmen von unten, dann wiederum von oben. Irgendwie war es unheimlich. Obwohl wir wussten, dass es keine Berggeister waren, sondern Menschen, die irgendwo redeten und deren Stimmen von den Lüften in die Wand getragen wurden. Trotzdem war es unheimlich.
    Die Lalidererwand war für mich keine Wand wie jede andere. Zweimal hatte ich mich in ihr weitab von allen anderen Menschen gefühlt. Als einsame Wand wollte ich sie in Erinnerung behalten. Seit ich 1947 am letzten Abend vor unserer Heimfahrt vor der Hüttentür zu der Lalidererwand hinaufgeschaut hatte, bin ich nie wieder ins Karwendel gefahren.

ANDERE LEUTE
    Der Schwanda ist der Schwanda!
    Hans Schwanda (1904–1983) war mein alpiner Lehrmeister, mein Kletterpartner, mein Freund. »Die größte Kunst beim Bergsteigen ist, dass man auch alt wird dabei!«, hatte er uns Jungen immer wieder gesagt. In seiner Zeit war das Bergsteigen noch wesentlich gefährlicher, als es heute ist.
    Als Freikletterer war Schwanda der Star unter den Wiener Bergsteigern. »Maestro« nannte ihn der Erstbegeher der Großen-Zinne-Nordwand, Emilio Comici. Schwanda
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