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Ein sinnlicher Schuft

Ein sinnlicher Schuft

Titel: Ein sinnlicher Schuft
Autoren: Celeste Bradley
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wie bei einer Dame und nicht mehr von einer Haube bedeckt wie bei einer Magd. Sie trug ihr Musselinkleid, in dem sie ihn gestern erwartet hatte. Es schien nicht so, als plane sie ihre Dienstbotenkleidung wieder anzulegen.
    Ihre Schritte wurden zögerlicher, als sie näher kam, und in gebührender Entfernung blieb sie stehen. Anders wäre ihm lieber gewesen, aber er akzeptierte es, und so trennte ein Stück Hotelflur sie, als sei es der Ozean.
    Und das war gut so.
    Sie hatte die Hände gefaltet, ihre Fingerknöchel traten weiß hervor und verrieten die Anspannung, doch ihre Stimme klang beherrscht und unpersönlich. »Wie geht es Ihnen heute, Sir Colin?«
    Er antwortete mit einem korrekten Nicken. »Ich bin vollkommen am Ende, Miss Filby. Und Sie?«
    Sie blinzelte, und ihre sturmgrauen Augen wurden feucht. »Ich ebenfalls.«
    Colin schluckte. »Bailiwick bringt dich und Evan wie versprochen nach London. Ich möchte dich bitten, bei Melody zu bleiben, bis ihr Brown’s erreicht.«
    »Natürlich. Bailiwick ist zwar ein Wunder, aber nicht einmal er kann eine Kutsche lenken und gleichzeitig auf ein Kind aufpassen.«
    Colins Mundwinkel zuckten. »Warte, bis du Wilberforce getroffen hast.«
    Ihr Mund verzog sich traurig. »Ich freue mich darauf. Nach Melodys Erzählungen sollte es mich nicht wundern, wenn dem Mann vor meinen Augen Flügel wachsen und er sich in die Lüfte schwingt.«
    Colin sehnte sich danach, die Hände nach ihr auszustrecken. »Ich sage nichts von dem, was ich eigentlich sagen möchte.«
    Sie neigte den Kopf. »Ich bin dir dankbar, wenn du es nicht tust. Haben wir nicht letzte Nacht bereits alles gesagt?«
    »Nein, du hast es nicht zugelassen.«
    Ich liebe dich. Ich möchte es dir bis an mein Lebensende jeden Tag sagen.
    Ihre Augen sahen die Wahrheit.
    Ich weiß.
    »Da ist etwas, das ich dir geben möchte.« Er griff in seine Brusttasche und zog einige Blatt Papier heraus, die in der Mitte zusammengefaltet waren. Er reichte sie ihr.
    Sie trat einen kleinen Schritt vor, gerade genug, um die Blätter mit gestrecktem Arm entgegennehmen zu können. Als sie sie in der Hand hielt, wich sie sogleich zurück. Ein heftiger Schmerz begann in seiner Brust zu toben, als er es sah– sie wollte ihm zu verstehen geben, dass sie nicht mehr erreichbar für ihn war.
    Sie faltete die Blätter auseinander und begann zu lesen. »Es war einmal vor langer Zeit, da segelte…« Sie schaute ihn überrascht an. »Du hast es aufgeschrieben!«
    »Nur die Geschichte von Käpt’n Jack und der spanischen Prinzessin. Ich glaube, Evan hat es nie geschafft, bis zum Ende wach zu bleiben.«
    Sie brachte ein kleines, trauriges Lachen zustande und faltete die Blätter wieder zusammen, drückte sie an ihre Brust. Als ihr Blick seinen traf, leuchteten ihre Augen wie Silber. »Ich werde es ihm jeden Abend vorlesen.«
    »Ich glaube, es wäre ihm lieber, du würdest sie verbrennen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er wird es verstehen. Irgendwann.«
    Wirklich? Vielleicht kann er es mir dann erklären.
    »Auf dem letzten Blatt sind die Namen verschiedener Londoner Anwälte notiert. Allesamt vertrauenswürdige Männer, die dir bei einer Klage gegen die Trotters helfen könnten.«
    Sie hob das Kinn. »Diesbezüglich habe ich noch keine Entscheidung getroffen.«
    Stures Weibsbild.
    Aber er schluckte den Kommentar hinunter, weil ihre Unabhängigkeit so schwer erkämpft war, dass niemand sich ein Urteil anmaßen sollte. »Zumindest können sie dir helfen, eine angemessene Anstellung zu finden. Ich habe ein Empfehlungsschreiben beigefügt.«
    Sie nickte. »Dafür danke ich dir.«
    Er erwog kurz, ob er sie bitten sollte, auf ihn zu warten. Immerhin schien Chantal ernstlich krank zu sein, und vielleicht war er wieder frei, bevor das Jahr um war. Doch er fand es geschmacklos. Überdies würde dann das vorgeschriebene Jahr der tiefen Trauer folgen und anschließend das der gemäßigten Trauer– ein langer Zeitraum, in dem er sie nicht an sich binden durfte durch ein Versprechen. Und was würde passieren, falls Chantal länger lebte? Wer wollte das schon genau wissen, wenn sogar der Arzt sich vage ausdrückte?
    Nein, er konnte ihr so eine ungewisse Zukunft nicht zumuten. Sie musste die Chance auf ein eigenes Leben bekommen. Und es war zudem ausgesprochen makaber, der eigenen Frau einen raschen Tod zu wünschen.
    Die Tür hinter ihm öffnete sich, und Bailiwick kam heraus. »Verzeihen Sie mir, Sir Colin, aber ich habe draußen die Kutsche gesehen, und die
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