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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen
Autoren: Melanie Barbera
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alle durch ihre außergewöhnliche Kürze auszeichneten. Alex benutzte nicht gerne viele Worte und zumeist brauchte er sie auch nicht – seine Art der Kommunikation war dennoch immer bemerkenswert effektiv. Die Sonne sank herab auf die flachen, alten Dächer der Nachbarschaft, wobei sie nur eine vage Andeutung von schmutzig orangem Licht war hinter dichten, festen Wolken. Es regnete noch immer, wenn auch etwas halbherzig. Tony war vermutlich noch nicht zu Hause, und sein Haar würde ihm mittlerweile unordentlich in die Stirne hängen, und er würde sich an der Freiheit und Reinheit des Regens erfreuen, wohl wissend, dass Guinievaire sich, wäre sie noch bei ihm, nur beschwert hätte. Er ertrug viel mit ihr, aber er hatte die Geduld eines Engels. Es sollte ihr wirklich besser gehen mit ihm, und sie sollte öfter dankbar für ihn sein.
    Trotzdem, in diesem Moment, in dem das letzte Licht des Tages schwand, war Guinievaire einfach nur mehr als beunruhigt, denn sie konnte immer nur an Freitag denken, an den Tag, an dem sich alles entscheiden würde, was sich in den letzten Monaten aufgebaut hatte. Alex und Cici würden kommen. Guinievaire sprach nicht mehr mit Cici, aber sie würde Alex und Tony einander vorstellen müssen. Immerhin war Alex ihr bester Freund, und außerdem war man nichts in London, und bemühte man sich noch so sehr, zählte man nicht Lord Alexander Lovett zu seinen Bekannten, dies wusste niemand so gut wie sie selbst. Vicky würde natürlich auch da sein – Vicky war Guinievaires beste Freundin – aber sie verstand sich nicht sonderlich gut mit Tony, leider und unverständlicherweise. Vermutlich war sie ihm gegenüber misstrauisch, denn Vicky war stets schrecklich vernünftig, und an Guinievaires Verlobung mit Tony war absolut gar nichts Vernünftiges. Als wäre all dies noch nicht genug, war da zudem noch Snooze, der nach wie vor noch nicht aufgegeben hatte. Was, wenn er ausgerechnet am Freitag die Zügel in die Hand nahm, wie er es schon seit hunderten von Wochen hätte tun können? Damit würde er sich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt auswählen, also war diese bedrückende Vorstellung vermutlich ganz und gar nicht abwegig.
    Nun, was sollte sie sich weiter den Kopf zerbrechen, versuchte Guinievaire sich abzulenken, aber sie würde es doch tun, bis in die dunkle Nacht hinein. Vielleicht würde sie später sogar trotz der Kälte das Fenster öffnen und hoffen und sich selbst dafür hassen, und dann würde sie wieder all die vielen Entscheidungen, die sie getroffen hatte und die sie an diesen Punkt geführt hatten, hinterfragen und damit beginnen sich zu wundern, wann ihr Leben ihr entglitten war, und dann würde sie weinen und dann würde sie sich trösten und sich an Tonys Hufeisen klammern und sich immer wieder sagen, dass sie ihn liebte und das alles besser werden würde, wenn sie nur endlich wirklich mit ihm zusammen sein konnte. Ob sie sich selbst glauben würde, das wusste Guinievaire noch nicht. Manchmal tat sie es, manchmal war sie sich sicher, dass sie sich nur anlog.
    Wäre es doch nur einfacher! Wäre es nur so, wie es den Anschein erweckte, dann müsste sich sich nicht so sehr quälen und nicht so viele tiefe Falten riskieren, die sich aus Sorge in ihre wertvoll jugendliche Stirn bohrten. Wenn es doch nur wäre wie in tausend anderen, ähnlichen Geschichten: das reiche Mädchen hatte sich verliebt in den armen – nun, nicht wirklich – Jungen mit dem Herzen aus Gold, aber die Welt stellte sich gegen sie. Wenn dies nur ihre geringste Sorge wäre! Das war es aber nicht, ganz und gar nicht.
     
     
    Den ganzen, langen Tag hatte es geregnet, aber nun, wo es dunkel war, hatte es endlich aufgehört, zumindest für eine kurze Zeit, und Tony war dankbar dafür, denn er durfte sich unter keinen Umständen die Frisur ruinieren oder Guinievaire wäre zornig mit ihm und würde sich wieder einmal beschweren, dass er nicht präsentabel war. Tony hatte sie gestern erst gesehen, aber wenn er daran dachte, wie sie ihm mit zuckenden Lippen die Locken zurecht strich, vermisste er sie sehr. Er sah sie einfach viel zu selten, dieser Meinung war er schon immer gewesen, seitdem er sie zum ersten Mal aus der Nähe hatte betrachten können.
    Es war Donnerstag Abend, und wie besprochen befand Tony sich auf dem nassen Weg zum Theater, zusammen mit zahlreichen anderen Menschen in dunklen Anzügen und Mänteln aus totem, übelriechendem Tier. Eigentlich konnte er diese Art von Gesellschaft nicht ausstehen,
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